von Ute Reuschenberg

Stellen Sie sich vor, ein Düsseldorfer Pionier der Nachkriegsmoderne wird mit einer Retrospektive geehrt – und diese findet in Bayern statt. Klingt irgendwie falsch? Stimmt. Und doch war es so: Zu seinem hundertsten Geburtstag würdigte man Paul Schneider-Esleben (1915-2005) zwar auch in seiner Heimatstadt. Aber die maßgebliche Ausstellung war im Architekturmuseum der Technischen Universität München zu sehen. Denn der umfangreiche Nachlass des 1915 geborenen Architekten – Erbauer der Haniel-Garage, des Mannesmann-Hochhauses oder des Flughafens Köln-Bonn, um nur einige Ikonen der späten Moderne NRWs zu nennen – wanderte 2006 mangels hiesiger Möglichkeiten in die bayrische Landeshauptstadt.

Eine Sache des Ortes

Derartige Verluste soll das Baukunstarchiv NRW künftig verhindern, da sind die berufsständischen Vereinigungen des Landes NRW, die Stadt Dortmund und die Technische Universität Dortmund einig. Mit Unterstützung des Landes NRW stemmen sie dieses Projekt gemeinsam. Architektur ist eine Sache des Ortes, eng mit der lokalen Baugeschichte verknüpft und nur in diesen Zusammenhängen wirklich zu verstehen und zu erschließen. Daher will das Baukunstarchiv, das seine Pforten schon nächstes Jahr im ehemaligen Museum am Ostwall in Dortmund öffnen wird, zur Aufgabe gemacht, Nachlässe einflussreicher und regional bedeutsamer Bauschaffender aus ganz NRW sichern und zugänglich machen. Den Grundstock wird das “Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst”, kurz A:AI, der TU Dortmund bilden. In seiner Obhut befinden sich zahlreiche Nachlässe einflussreicher Architekten, die mit der Nachkriegsmoderne im bauintensivsten Bundesland eng verbunden sind. Zu nennen sind hier etwa Harald Deilmann, Eckhard Gerber, Bruno Lambart oder Eckhard Schulze-Fielitz.

Die Rettung des Museumsbaus am Ostwall

Seit Mitte Januar 2017 laufen am Dortmunder Ostwall nun die Umbauarbeiten. Nach dem Umzug des dort bis dato ansässigen Kunstmuseums in das Dortmunder U – das Gebäude der ehemaligen Dortmunder Union Brauerei – stand der Altbau leer. 2013 wurde er von der Stadt als Eigentümerin quasi zum Abriss freigeben, ein Investor lockte bereits mit einem lukrativen Neubauprojekt. Doch in der Dortmunder Bürgerschaft regte sich Widerstand. Die Abrisspläne konnten am Ende gestoppt werden, die Nutzung als Baukunstarchiv setzte sich durch. Durch diese glückliche Fügung erhält NRW endlich sein Gedächtnis der Bauschaffenden. Gleichzeitig bekommen die Studierenden der Campus-Uni Dortmund einen Lernort mitten in der City und die Dortmunder zusätzlichen Ort des kulturellen Lebens. Und ihnen bleibt ein vertrautes und liebgewonnenes Bauwerk mit Geschichte und Charisma erhalten, ein Bau, der letztlich den Genius Loci bewahrt. Tatsächlich lassen sich in dessen heutiger Gestalt noch immer die verschiedenen Phasen seines langen Lebens ablesen.

Vom Königlichen Oberbergamt zum Baukunstarchiv

So würdevoll-bescheiden der ehemalige Museumbau mit dem großzügigen zentralen Lichthof daherkommt, so überraschend und wechselvoll ist seine Geschichte. 1872-75 vom Berliner Architekten Gustav Knoblauch als Königliches Oberbergamt im Stil des Historismus erbaut, wurde das älteste Profangebäude der Stadt bereits 1911 zum städtischen Museum umgebaut. Das “Museum für Kunst und Gewerbe” entstand unter der Federführung des Dortmunder Stadtbaurats Friedrich Kullrich. Diese frühe kulturelle Nutzung belegt den Wandel Dortmunds zur selbstbewussten Großstadt. Den Zweiten Weltkrieg hat das Gebäude erstaunlich gut überstanden. Dennoch wurde es zugunsten der Oberlichtsäle auf zwei Geschosse reduziert. An diesen Umgestaltungen der 1950er Jahre hatte die damalige, auch in baulichen Dingen sehr engagierte Museumsdirektorin Leonie Reygers einen hohen Anteil. Die schlichten Formen der Nachkriegsfassung entsprechen dabei durchaus der damaligen puristischen Bescheidenheitsästhetik. Die Segmentbogenfenster verraten dabei dennoch den Ursprungsbau. Das Dortmunder Museum war bundesweit eines der ersten, das die zuvor von den Nazis verfemte Kunst der Moderne ab 1949 wieder zugänglich machte. Bis 2009 war der Ostwall 7 eine DER Adressen für Gegenwartskunst. Von der bildenden Kunst geht es nun zur Baukunst.

Förderverein als wichtiger “Stützpfeiler”

Einen zentralen “Stützpfeiler” des entstehenden Baukunstarchivs bildet das bürgerschaftliche Engagement, gebündelt im Förderverein für das Baukunstarchiv NRW. Dieser hat sich verpflichtet, einen Teil der jährlichen Betriebskosten des künftigen Baukunstarchivs aufzubringen. Um dieses dauerhaft gewährleisten zu können, sind weitere Mitglieder, Unterstützer und Förderer dringend erwünscht. Denn so sehr, wie dieser Dortmunder Glücksfall nun Gestalt annimmt, so sehr werden auch seine weiteren Geschicke vom Engagement Vieler abhängen! (14.2.17)

Literatur

Rose, Christof, Baumaßnahmen zum “Baukunstarchiv NRW” starten, in: DAB Regional, Ausgabe 02, 2017, S.7.

Sonne, Wolfgang/Wittmann, Regina, Baukunst im Archiv, Das Potential des Archivs für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW (A:AI) für Lehre, Forschung und Kultur, in: Sonne, Wolfgang/Welzel, Barbara (Hg.), St. Reinoldi in Dortmund, Dortmund 2016, S.45-49.

Hnilica, Sonja, Das alte Museum am Ostwall. Das Haus und seine Geschichte, Essen 2014.

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