Loheland, Leuchte (Bild: K. Berkemann)

Selbst die Leuchten nähern sich der Natur (Bild: K. Berkemann)

Es geht nicht um “Bauch-Beine-Po” (das hätten die Loheländerinnen mit Naserümpfen als “hygienische Übung” entlarvt), es geht um eine Gymnastik, die den ganzen Mensch in Bewegung setzen will. Vom 29. bis 30. Mai 2015 trafen sich Kunsthistoriker, Kulturwissenschaftler und Architekten in Loheland bei Fulda, um sich mit der Tagung “Die Frauensiedlung Loheland im Kontext der Moderne des 20. Jahrhunderts” dem gebauten Ausdruck dieser Körperbildung anzunähern. Nach sieben Jahren voller Provisorien konnten Louise Langgaard und Hedwig von Rohden – beide reformbewegte Gymnastinnen mit Kontakt zu Rudolf Steiner – ihrer Lehre 1919 endlich einen festen Ort geben. Heute gilt Loheland als die älteste anthroposophische Siedlung Deutschlands, die u. a. auf Planungen des Gartenarchitekten Max Karl Schwarz zurückgeht. Einige der Bauten, die hier in den folgenden Jahrzehnten entstanden, ersetzten den rechten Winkel durch viel Fantasie. Doch daneben war ebenso Platz für viele schlaue Provisorien und ungewöhnliche Einzellösungen.

Evahaus, Franziskusbau und Waggonia

Zu Beginn der Tagung, zu der das Landesamt für Denkmalpflege Hessen und die Loheland Stiftung eingeladen hatte, näherten sich die Teilnehmer dem Thema nicht nur mit den Ohren (man trug vor und diskutierte), sondern ganz “loheländisch” auch mit den Füßen (man erkundete die gewachsene Streusiedlung). Zunächst hatten die Loheländerinnen die notwendigsten Räume geschaffen: das Holzhaus für die Landwirtschaft (1919), den Rundbau für die gymnastischen Übungen (1920), Wohnhäuser, Werkstätten und Trafostation (1923) – und erste prägende Steinbauten wie das hochaufragende Evahaus (1924), das organische Steinhaus (1925) und den expressiven Franziskusbau (1925/1982).

Der zweite Tagungstag beleuchtete die Geschichte der Bauten und ihrer Gemeinschaft und stellte beide in ihren zeitlichen Kontext: von der osteuropäischen Künstlersiedlung bis zu den Werkstätten Hellerau. In Loheland selbst handelte man in der Lehre konsequent, im Leben pragmatisch. Im regen Austausch mit den Anthroposophen, dem Bauhaus oder dem Werkbund erarbeitete man sich in den 1920er Jahren einen guten Ruf. Man bildete eine ganze Frauengeneration im Sinne einer ganzheitlichen Wahrnehmungsschulung und betrieb erfolgreich kunstgewerbliche Werkstätten. Auch die Loheländer Tänzerinnen, allen voran Eva-Maria Deinhardt und Berta Günther, erregten Aufmerksamkeit. Baulich halfen günstige Holzbauten durch die wirtschaftsschwachen Jahre: wie die charmante Post (1927) oder die experimentelle “Waggonia” (1927), eine holzverkleidete Verbindung von vier Vierte-Klasse-Eisenbahnwaggons.

Durch den Krieg, nach dem Krieg

Nach 1933 suchte Loheland einen Mittelweg: Man bildete für das neue Regime Gymnastiklehrerinnen aus und blieb zugleich eines der letzten Refugien für bombengeplagte Freidenker. Nach Kriegsende wurde weiter gelehrt und gebaut – vom Wiesen- (1958) bis zum Giebelhaus (1962). Langsam gewann die Waldorfschule mit ihren Um- und Neubauten der 1980er Jahre an Bedeutung. Ein Versuch, die ruhende Gymnastinnen-Ausbildung wiederzubeleben, endete 2009 (vorerst) endgültig. Geblieben sind markante Bauten, für die auf der Tagung durch die Denkmalpflege das Konzept der Gesamtanlage vorgestellt wurde: Schutz für das gesamte Gelände und seine Bauten (letztere teils als Einzelkulturdenkmäler). Es soll eine Reihe von Fachtagungen rund um Loheland folgen, stellt es doch – so der Einladungstext zur ersten Konferenz – “in seiner ideellen und gebauten Idee ein Gesamtkunstwerk von herausragender kulturgeschichtlicher Bedeutung dar.” (kb, 30.5.15)

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