von Kirsten Angermann

Veranstaltungen zur Nachkriegs- und Ostmoderne haben Konjunktur. In diese illustre Riege gehört auch die Rostocker Tagung “Alles Platte oder was? Architektur im Norden der DDR als kulturelles Erbe”. Sie fand vom 20. bis 22. Oktober 2016 auf Einladung des Landesamts für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern und des Amts für Kultur, Denkmalpflege und Museen der Hansestadt Rostock statt. Im Mittelpunkt stand das baukulturelle Erbe der DDR in den ehemaligen Nordbezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg. Neben verschiedenen Vorträgen gaben auch organisierte Führungen durch den Tagungsort Gelegenheit, über Denkmalwert, Erhaltungschancen und charakteristische Eigenart dieser Bauten konkret ins Gespräch zu kommen. Aus den vielen Impulsen und Diskussionen rund um die Veranstaltung gibt es Neues zur Ostmoderne-Forschung zu berichten. Schließlich war die Rostocker Tagung die erste von einem Landesdenkmalamt und einer kommunalen Denkmalschutzbehörde organisierte Konferenz, die sich explizit der Inventarisation und Erhaltung von Denkmalen der DDR-Architektur widmete.

Gut erfasst in der Stadt, noch Bedarf auf dem Land

Im Norden sieht es bei der Erfassung des DDR-zeitlichen Kulturerbes bereits sehr gut aus, wie eingangs Peter Writschan für die Stadt Rostock betonte. Dort sind von neotraditionellen Bauten der 1950er Jahre, etwa entlang der Langen Straße, bis hin zu innerstädtischen Projekten der 1980 Jahre, etwa dem Fünf-Giebel-Haus am Universitätsplatz, bereits Vertreter aller Jahrzehnte unter Schutz. Im ländlichen Raum hingegen steht es schlechter um die Inventarisation dieser Bauepoche, wie im Beitrag von Alexander Schacht zum Landkreis Rostock deutlich wurde. Die Erfassung der Ostmoderne hat sich also bislang auf die Städte konzentriert. Daraus ergibt sich ein klarer Auftrag an die Inventarisation in Mecklenburg-Vorpommern und den anderen neuen Bundesländern.

Am ersten Konferenztag gaben eingeladene Wissenschaftler aus ganz Deutschland einen Überblick über den derzeitigen Forschungsstand. Am Folgetag kamen vor allem lokale Akteure aus den Behörden, der denkmalpflegerischen Praxis und von bürgerschaftlichen Initiativen zu Wort. Dass bewusst auf Zeitzeugen und damalige Akteure verzichtet wurde, verhalf den einzelnen Referaten zur nötigen historischen Distanz. Stattdessen erhielten die Zeitgenossen, darunter der ehemalige Rostocker Stadtarchitekt Michael Bräuer, auf der Abendveranstaltung der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern ein Podium.

Neue Forschung von großer Dynamik

Nicht nur abgeschlossene Forschungen wurden vorgestellt (wie etwa die Arbeit zu Ulrich Müthers Betonschalen von Tanja Seeböck), sondern explizit auch sich aktuell sehr dynamisch entwickelnde laufende Projekte. Somit konnten neue Erkenntnisse zum lange vernachlässigten Industriebau (Jessica Hänsel), zur Ferienarchitektur (Daniela Spiegel), zur regionalen Anwendung von Großtafelbauserien (Roman Hillmann) und zur postmodernen Architektur (Kirsten Angermann) diskutiert werden. Dabei kamen teils Besonderheiten der ehemaligen Nordbezirke und insbesondere des Bezirks Rostock zur Sprache: bautechnische und ästhetische Innovationen ebenso wie die Anknüpfung an Architekturtraditionen des Ostseeraums.

Die Veranstalter scheuten nicht die Auseinandersetzung mit dem “unbequemen” Erbe der DDR-Zeit, den Zeugnissen von Teilung, Repression und Staatsgewalt: vom Bericht (Jana Frank) zu den Relikten der innerdeutschen Grenzanlagen, die nunmehr mit archäologischen Instrumenten untersucht werden, bis zum Beitrag (Stefan Wolter) über die DDR-zeitliche Kasernennutzung des im Dritten Reich geplanten KdF-Seebads in Prora.

Ohne bürgerschaftliches Engagement geht es nicht

Schwerin-Lankow, Schwimmhalle (Bild: Annette Jawi)

Engagierte kämpfen für ihren Erhalt: die ostmoderne Schwimmhalle in Schwerin-Lankow (Bild: Annette Jawi)

Die folgenden Berichte von Initiativen (z. B. zur Rettung der Volksschwimmhalle Lankow von Annette Jawi und Gottreich Albrecht sowie zum Kulturhaus Mestlin von Claudia Stauß) unterstrichen die bedeutende Rolle von bürgerschaftlichem Engagement für die Erhaltung von Denkmalen, unabhängig von der Bauepoche. Die Beiträge zum denkmalpflegerischen Umgang mit den Bauten der DDR-Zeit (etwa der Sanierung der Schiffbaufakultät an der Universität Rostock aus den 1950er Jahren von Ehrenfried Kebe) machten ergänzend deutlich, dass (potentielle) Denkmale nicht per se ein Erhaltungsproblem darstellen. Häufiger geht es um Vermittlungsprobleme. So darf man sich schon gespannt auf die Tagungspublikation freuen, die aktuell in Vorbereitung ist. (Dezember 2016)

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