Am 29. Mai 1991 begann bei der Deutschen Bahn ein neues Zeitalter: Der ICE wurde in Betrieb genommen. Mit einer Sternfahrt von Bonn, Hamburg, Mainz, Stuttgart und München nach Kassel-Wilhelmshöhe wurde die neue Zuggattung eingeweiht. Nachdem die Züge parallel in den Bahnhof eingefahren waren, stellte Bundespräsident Richard von Weizsäcker um Punkt 12 Uhr symbolisch das Ausfahrsignal auf „freie Fahrt“. Dies war zugleich der Start für den Betrieb in dem Bahnhof, in dem wohl jeder schon einmal den Anschlusszug verpasst hat. Ebenso lange, wie an den neuen Hochgeschwindigkeits-Zügen getüftelt wurde, wurde auch um den neuen Kasseler Fernbahnhof Wilhelmshöhe gerungen. Der “Palast der tausend Winde” (und der endlos langen Wege zu den Bahnsteigen) wird 30 – obwohl seine Planung schon zehn Jahre zuvor begann.

Den Wettbewerb für den Bau des Nachfolgers des schwer anbindbaren, innerstädtischen Hauptbahnhofs gewann 1982 ein Architektenkollektiv. Zu ihm gehörten der 2014 verstorbene Andreas Brandt, Giovanni Signorini und Yadegar Asisi. 1985 wurde ihnen der Auftrag entzogen und diverse weitere Architekten und Ingenieure engagiert. Das Büro Dietrich Guggenberger Waning führte die Planungen schließlich fort. So geriet das ehrgeizige Projekt zum Werk mit vielen Vätern. Und gewinnt heute allmählich – aller dysfunktionalen Details zu Trotz – an Charme: Reiner Nagel, Vorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, prophezeihte im Interview mit der HNA dem Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe eines Tages den Denkmalschutz. Bleibt nur zu hoffen, dass der postmoderne Umsteigebahnhof nicht vorher überehrgeizigen Umbauplänen zum Opfer fällt. Allzu viele PoMo-Bahnhöfe hat Deutschland nicht vorzuweisen. (db, 29.5.21)

Kassel, Bahnhof Wilhelmshöhe (Bild: KarleHorn, CC BY SA 3.0, 2014)

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