Ende der 1940er Jahre erlebte die Kachel einen beispiellosen Boom, der bis in die 1960er Jahre hinein anhielt. War sie bis dato weitgehend zu einem Nischendasein im feuchten Badezimmer oder der sterilen Arztpraxis verdammt gewesen, beförderten sie die Architekten des Wiederaufbaus zur omnipräsenten Fassadendekoration.

Viele Metropolen Westdeutschlands wetteiferten nach 1945 geradezu darin, ihre Innenstädte in überdimensionale Schwimmbäder zu verwandeln – gerne auch in den modischen Farben hellblau oder lindgrün. Markus Krajewski hat dieser kuriosen Spielart der Fassadengestaltung nun eine eigene Monographie gewidmet. Das Buch fragt abseits von Kostenersparnissen nach den Gründen der Popularität einer Bauform, “die man heute eigenartig bis verstörend einzustufen geneigt ist”. Ist die Hinwendung zur abwaschbaren und streng gerasterten Kachelfassade eine architektonische Überkompensation gesellschaftlicher Prozesse? Wie ist die plötzliche Omnipräsenz einer Bauform zu werten, die vormals sinnbildlich für Hygiene stand und nur in entsprechenden Räumlichkeiten situiert war? Das passende Bildmaterial liefert Fotograf Christian Werner, der mit Köln eine Stadt porträtiert, die der Fliesenästhetik nach 1945 intensiv huldigte. Am 29. Januar wird das Buch um 20:30 Uhr in Berlin (Pro qm, Almstadtstraße 48-50, 10119 Berlin) vorgestellt. (jr, 21.1.16)

Krajewski, Markus: Bauformen des Gewissens. Über Fassaden deutscher Nachkriegsarchitektur. Mit Fotografien von Christian Werner, Kroener Verlag, Stuttgart 2015, 220 Seiten, 80 Farbfotografien, Französische Broschur, ISBN 978-3-520-90801-8.

Anmelden

Registrieren

Passwort zurücksetzen

Bitte gib deinen Benutzernamen oder deine E-Mail-Adresse an. Du erhältst anschließend einen Link zur Erstellung eines neuen Passworts per E-Mail.