In den letzten Wochen könnte man den Eindruck gewinnen, dass das berüchtigte Sommerloch im deutschen Feuilleton zubetoniert wird. Der geschmähte Baustoff ist schick geworden: Längst ist die Platte bei den Hipstern angekommen und auf der Selbstmacher-Plattform DaWanda “Kreativbeton” zum neuen Salzteig mutiert. Grund genug, dass sich “taz” und “FAZ” der Renaissance des grauen Kunststeins annehmen. Die FAZ-Wirtschaftsredakteurin Julia Löhr besucht einen Designer, der aus Zement, Wasser und Zuschlagstoffen die unterschiedlichsten Möbel entwirft – und sich über regen Zulauf freut. Heute sei Beton stylish, früher eher eine Notwendigkeit. Die FAZ kommt zu dem Schluss: “Beton war ein Zeichen von Pragmatismus, nicht aber eines ausgeprägten Stilbewusstseins.”

In der taz hingegen sieht Ruben Donsbach eine Zeichenhaftigkeit der Liebe der jungen Bundesrepublik zu dem formbaren Baustoff. Ein Auge auf die eigene Kindheitserinnerung, das andere auf die Baugeschichte der ersten Nachkriegsjahrzehnte, sieht er: Beton war noch frei für die Sehnsüchte nach einem Neuanfang – jenseits aller Insignien der alten Macht. Eine Begeisterung, die weder die “kühlen 80er-, noch” die “aufgeregten 90er-Jahre” teilen konnten, und fleißig zum Abriss übergingen. Heute, so Donsbach, scheint eine luftige Plattenbauwohnung den Lebensgeist einer neuen Generation besser zu treffen als ein klassizistischer Stuck-Parkett-Traum. (kb, 9.9.15)

Als Betonbau noch harte eisenbiegende Arbeit war: “Schwarze Pumpe, Eisenflechterbrigade erreichte 10 Tage Planvorsprung” (Bild: Bundesarchiv Bild 183-72132-0001, Foto: Werner Großmann, CC BY SA 3.0.de, 1960)

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