Was genau Kirchen sind (heilig oder kulturell wertvoll oder einfach ’nur‘ schön anzuschauen), ist ein Streitthema. Und spätestens, seit sich die Aufgaben und Abrisse ehemaliger Gottesdiensträume häufen, hängt von der Antwort viel ab. Das Museum der Baukultur NRW wagt hier zu einer neuen Formulierung. Nach einer neuen Ausstellung, die im September in Essen startet, sind Kirchen nicht allein Dritte, sondern Vierte Orte. Diese Zählweise beruht auf der soziologischen These, dass Menschen zwischen dem Esten Ort (das Zuhause) und dem Zweiten Ort (dem Arbeitsplatz) einen Dritten brauchen, an dem sie sich für kulturelle Belange treffen können, z. B. eine Kirche. Nun kommt, so Baukultur NRW, der Vierte Ort hinzu, der eine Sinnerfahrung ermöglicht, eben möglicherweise auch eine Kirche.
Genau diese Perspektive, die nach dem drohenden Verlust für die gesamte Gesellschaft fragt, tut not: Denn, so die These einer neuen Ausstellung, zwischen einem zwischen 30 und 50 Prozent der deutschen Kirchen in Deutschland werden in den kommenden Jahrzehnten zur Disposition stehen. Das wären allein Nordrhein-Westfalen bis zu 3.000 Bauten. Für diese Problemlage hält das Museum der Baukultur NRW vom 1. September bis 6. Oktober 2024 in der Heilig-Geist-Kirche in Essen-Katernberg die Ausstellung „Kirchen als Vierte Orte – Perspektiven des Wandels“ bereit. Hier werden Videointerviews mit Menschen eingespielt, die an Umnutzungsprozessen beteiligt waren. Hinzu kommen in Text und Bild insgesamt 26 Beispiele von ehemaligen Kirchen, die diesen Weg bereits erfolgreich hinter sich gebracht haben. Die Vernissage wird am 1. September 2024 um 11 Uhr begangen . (kb, 2.8.24)
Köln, Dreifaltigkeitskirche, 1963, Georg Rasch, bis 2022 Umbau nach Plänen von Paul Böhm in ein Aikido-Dojo (Bild: Felix Hemmers)