Als Stephan Trüby 2018 in der FAZ die Rekonstruktionsarchitektur auf dem Weg zum “Schlüsselmedium der autoritären, völkischen und geschichtsrevisionistischen Rechten” sah, schlugen die Wellen erwartungsgemäß hoch. Natürlich wurden etliche Befürworter – in diesem Fall der neuen Frankfurter Altstadt – mitgetroffen, die weder rechtem Gedankengut anhängen noch das (städtebauliche) Heil im Abräumen der Moderne sehen. Doch dass Trüby im Kern der Sache nicht daneben liegt, beweist immer wieder die Realität: In Sachsen ging gerade die AfD als stärkste Kraft aus der Europawahl hervor, wie die Landtagswahl am 1. September ausgeht, mag man sich derzeit gar nicht ausmalen. Die Reko-Freunde von “Stadtbild Dresden – Die Bürgerinitiative für Dresdener Baukultur” haben hingegen vorgebaut: Bereits sechs Wochen vor der Europawahl brachten sie “Im Zuge des sich anbahnenden Politwechsels im Dresdener Stadtrat” auf Facebook die Idee auf, zum nunmehr dritten Mal die Rekonstruktion des Belvedere im Brühlschen Garten anzuregen. Maximilian Krah, stellvertretender Landesvorsitzender der AfD Sachen, postete denn auch gleich, dass seine Partei das Belevedere im Kommunalwahlprogramm habe. Kommentare: zwölf Mal Daumen hoch, ein Herzchen …

Sicherlich ist “Stadtbild Dresden” per se ebensowenig rechts wie die meisten anderen Verfechter historisierender Stadtreparatur. Doch auf wessen Unterstützung man hofft, ist doch ziemlich eindeutig – und die wird auch sogleich zugesagt. Die Blaue Partei ist ohnehin mit der kulturellen Landschaft Sachsens nicht glücklich: Dem Dresdener Europäischen Zentrum der Künste Hellerau würde man gerne den Saft abdrehen, und auch in einigen anderen Museen und Kulturprojekten macht man sich Gedanken, welche Auswirkungen der “sich anbahnende Politwechsel” mit sich bringen würde. Ist den Reko-Fans jeder Verbündete recht, um zum Ziel zu kommen? Sagen wir es so: Die Abgrenzung von der Parteipolitik ist zumindest schon mal recht unscharf geraten.

Auch die anstehende Sanierung der Frankfurter Paulskirche hat die Liebhaber des Wahren, Schönen, Guten auf den Plan gerufen. Die Chance scheint gekommen, den 1948 errichteten, modernen Innenraum aus der Feder von Rudolf Schwarz zu tilgen. Und was man von einem der bedeutendsten Kichenbaumeister des 20. Jahrhunderts hält, stellt man auch gleich mal klar: Schwarz’ moderne Kirchenbauten zeichnen “einen Sinn für monumentale Leere” aus, heißt es auf der Homepage der “Freunde Frankfurts”. Wo man auch seit Langem mit dem Wiederaufbau des Salzhauses am Römer liebäugelt. Um ein Geschichtszeugnis der Renaissance zurückzuholen, würde man ein Geschichtszeugnis des Wiederaufbaus opfern. Samt des wohl berührendsten Wandmosaiks, das nach 1945 in der Stadt entstanden ist: Wilhelm Geißlers Phönix, der sich aus Gräbern und Ruinen erhebt. Mal sehen, ob die Sachsen-Wahl auch in Hessen nachwirkt – sollte sie den “Politwechsel” tatsächlich bringen. (3.6.19)

Daniel Bartetzko

Frankfurt am Main, Paulskirche (Bild: BlueKnow, CC BY SA 3.0, 2010)

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