von Danuta Schmidt
Was bleibt aus der DDR, einer Zeit der Moderne? In uns bleiben Erinnerungen aus dem Alltag. In unserem Blickfeld bleiben Architektur, Kunst, Theater, Musik, Literatur. Und nur die Baukunst schafft es, uns täglich unsere Vergangenheit zu vergegenwärtigen, denn sie ist öffentlich. Doch auch die Architektur der sozialistischen Moderne verschwindet zunehmend. Um so erfreulicher ist, dass nun in der kleinen Mittelalterstadt Beeskow an der Oder das Kunstarchiv ein öffentlich zugängliches Depot hat. Bilder von Walter Womacka (ehemals Rektor der Kunsthochschule Berlin-Weißensee), von Günther Brendel (89 Jahre, seine Bilder hängen heute im Auswärtigen Amt), von Horst Zickelbein (Frankfurt/Oder), von der Künstlergruppe “Clara Mosch”, Malerei, Grafiken, Fotografien und Plastiken von Ingeborg Hunzinger, Sabine Grzimek oder Lore Plietzsch befinden sich im Besitz des frisch eröffneten Kunstarchivs Beeskow.

Endlich!
Leiterin Florentine Nadolni sah viele Besucher bei der Eröffnung überwältigt: “Es scheint eine Art Befreiung zu sein, weil die Bilder so lange nicht gezeigt wurden.” Doch es gebe mehr zu tun, als diesen großen Bestand zu bewahren und zu vermitteln. Er müsse immer wieder neu befragt werden, auch über die Grenzen der einstigen DDR hinaus. “Ein vergleichendes Herangehen, auch mit anderen Ländern und auch zum Austausch der DDR mit anderen Ländern auf hohem kunsthistorischem und kulturhistorischem Niveau fördert Erkenntnisgewinn.“ Solche Impulse sollen von außen kommen, von jungen Wissenschaftlern, um das Depot zukunftsfähig zu gestalten. Impulse für neue Dialoge könnten auch vom Depot kommen. “Dazu braucht man einen Zugang zum Depot, diese unmittelbare Begegnung mit den Objekten und Kunstwerken.”
Zum Bestand des Kunstarchivs Beeskow gehören 17.000 Werke der bildenden Künste aus 40 Jahren DDR: 360 Plastiken, 1.500 Gemälde, 1.700 Zeichnungen, 330 Grafik-Mappen (mit 4.100 Blättern), 8.800 Grafiken und 550 Fotografien. Seit der Eröffnung hängen 1.300 dieser Bilder im ehemaligen Kreisarchiv in Beeskow. Durch die hohen Decken konnte hier eine Gemäldezuganlage auf 160 Quadratmetern installiert werden, die 3,60 x 3,60 Meter große Gitter den Blicken der Gäste zugänglich macht. Hier hängt nun alles räumlich effektiv und alphabetisch sortiert. “Das werden Gäste in einer Ausstellung nicht erleben, weil dort bereits kuratiert, gefiltert, eine thematische Vorauswahl getroffen wurde”, freut sich Nadolni. Dafür flossen 300.000 Euro Fördermittel aus dem Fördertopf “Investitionen für nationale Kultureinrichtungen in Ostdeutschland” für das neue Schaudepot.

Zurück auf Anfang
Zur ersten Ausstellung “Querformat 1” kamen 1995, sechs Jahre nach dem Mauerfall 66.000 Besucher. Herbert Schirmer, letzter Kulturminister in der Übergangsregierung und erster Direktor der Burg Beeskow, war der bewegende Geist, der Beeskow zum Kulturstandort wandelte. “Er hatte damals”, erinnert sich Nadolni, “durch seine Funktion auch im Blick, was mit den Kunstwerken passiert, die in der Öffentlichkeit waren, in FDGB-Ferienhäusern, in Speisesälen, Krankenhäusern, Parteihochschulen, FDJ-Einrichtungen, Sportstätten oder Ferienlagern.” Er sah und rettete ein Konvolut, dass mittlerweile auf 23.000 Kunstwerke angewachsen ist. Gelagert wurden sie seit 1995 in einem dafür ausgebauten Speicher nahe der Burg. “Der Dachbodencharakter hatte sicher etwas Geheimnisvolles, etwas von ‘Hier lässt sich etwas entdecken’.” Doch konservatorisch war das fast unzumutbar – und es konnte immer nur ein Bruchteil des Bestands gezeigt werden. Ausstellungen folgten wie zuletzt über Bilder aus der Landwirtschaft (“Ein weites Feld”), die auch auf Wanderschaft durch Deutschland ging, arbeitenden Menschen, der Frau in der DDR oder Stillleben (“Büchsenwurst und roher Fisch”).
„Am Bestand lassen sich einerseits politische und gesellschaftliche Normen ablesen, andererseits gestalterische und ästhetische Qualitäten entdecken.” Nadolni verweist auf die Bandbreite der Sammlung aus allen Jahren der DDR. Es seien nicht die großen subversiven Arbeiten, die in Beeskow hängen. Doch es ist sehr gut Zeitgeschichte ablesbar: die 1960er Jahre, als es um den optimistischen Aufbau des Sozialismus ging, und die 1980er Jahre, als die Hoffnung einer großen Skepsis gewichen war. Viele Künstler, die nach 1990 weiterarbeiteten, wollen sich nicht auf ein Etikett “DDR-Kunst” einschränken lassen. Noch immer fühlen sie damit eine Abwertung ihrer Lebensleistung durch andere, die diese Geschichten nicht differenziert erzählen und 1990 enden lassen. Wer sich vor Ort selbst ein Bild machen möchte, kann an einer der zahlreichen Führungen durch das neue Schaudepot teilnehmen. (22.6.19)
Titelmotiv: Schaudepot Beeskow (Bild: Kunstarchiv Beeskow/Christoph Mann)