Er gilt als einer der Väter der Künstlerischen Forschung: In diesen Tagen verstarb Harry Walter in Stuttgart im Alter von 70 Jahren. Der Künstler, geboren 1953 in Stuttgart, hat sich zeitlebens mit dem Medium der Fotografie auseinandergesetzt. Als Anstoß dazu erinnerte er die Faszination, die eine Kiste mit alten Fotografien im Nachlass seines Vaters auf ihn ausübte. Nach seinem Studium der Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in Stuttgart und Tübingen hatte sich Walter der künstlerischen Arbeit zugewandt. Neben Ausdrucksformen wie der Rauminstallation perfektionierte er vor allem die Gattung des Fotoessays, die er in einer feinen Schwebe zwischen Melancholie und feinem Humor zu halten wusste. Dabei konnte er aus der eigenen wachsenden Sammlung von Fotografien namenloser Amateur:innen schöpfen.
Walter entfaltete Breitenwirkung nicht allein durch Texte und Ausstellungen, sondern auch durch seine Lehraufträge zwischen Japan, München und Zürich. Bekannt wurde er vor allem als Mitbegründer des “Archivs beider Richtungen” (ABR), das er 1982 mit Ulrich Bernhardt, Gerrit Hoogerbeets und René Straub startete und mit Straub bis 2003 fortführte. Zuletzt war er Teil des Kollektivs “Begleitbüro SOUP” (Stuttgarter Observatorium urbaner Phänomene), das etwa unter dem Titel “Festung der Einsamkeit” mit den Überresten einer Modellbahnanlage die Absurditäten des Stuttgarter Bahnhofsprojekts in Szene setzten. Der Impuls, Künstler:innen als eigenständige Deutungsperspektive in (zeit-)historische Ausstellungen und Tagungen einzubinden, feiert seit Kurzem eine Renaissance. Und für den heutigen Diskurs hält sein Werk weitere Impulse bereit – nicht zuletzt Walters Band “Ornament und Versprechen”, der schon im Titel einen Seitenhieb an den Architekten und Architekturkritiker Adolf Loos austeilt, wartet noch auf seine Wiederentdeckung. (kb, 9.9.24)
SOUP, Festung der Einsamkeit (Bild: Film-Still)