Solche Begründungen ist man beim Abriss von Objekten der 1950er oder 1960er Jahre gewohnt: Baufälligkeit. Doch in diesem Fall geht es um das Europäische Parlament in Brüssel, genauer gesagt das Paul-Henri-Spaak-Gebäude, eingeweiht 1995. Der (noch) bestehende Bau liegt prominent am Rand des Leopoldsparks. Benannt wurde er nach einem belgischen Politiker, einem der Gründungsväter der EU. Auch die Formensprache ist selbstbewusst, immerhin beherbergt der Bau mit dem Parlamentssaal ein Herzstück der europäischen Demokratie: zwei sich überschneidende Gebäuderinge auf ovalem Grundriss werden mittig von einer gläsernen Tonne überfangen. Für den Entwurf des Ensembles, das ursprünglich zu einem Konferenzzentrum erweitert werden sollte, zeichneten verantwortlich das Atelier d’Architecture de Genval, das Atelier Vanden Bossche, CERAU s.p.r.l. und CVR.

Die spät-postmoderne Raumschöpfung fand in Brüssel kaum Zustimmung. Rasch wurde sie mit einem wenig charmant gemeinten Spitznamen bedacht: “Caprice des Dieux”, die amorphe Struktur erinnere an einen französischen Weichkäse. Andere trauern noch den Jugendstilhäusern nach, die für den Neubau geopfert wurden. Schon 2012 hatte man Risse im Dachbereich des EU-Parlaments festgestallt und eine Abrissdebatte gestartet. Ausgeschrieben wurde ein Wettbewerb für Um- oder Neubaulösungen, die Bewerbungsfrist endete im Sommer des vergangenen Jahres. Doch inzwischen scheint der Abriss auf politischer Ebene favorisiert zu werden. Neben baulichen Mängeln werden Argumente wie Terrorsicherheit und Energieeffizienz in die Waagschale geworfen, um einen Neubau plausibel zu machen. Der Sieger des Architekt:innenwettbewerbs soll sehr zeitnah bekanntgegeben werden. (kb, 25.2.21)

Brüssel, EU-Parlament (Bild: Europäisches Parlament)

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