nach einem Vortrag von Monika Markgraf (20/1)

Es gibt nicht DIE eine große Renovierung des Dessauer Bauhaus-Gebäudes, es gibt mehrere. Da ist zunächst die “Reko 76” zu nennen, eine umfassende Maßnahme zu DDR-Zeiten. Zwischen 1996 und 2006 erfolgte dann die sog. Generalsanierung. Aber weil nach der Sanierung immer auch vor der Sanierung ist, werden kontinuierlich Arbeiten durchgeführt – deshalb entsteht zur Zeit ein langfristiger Pflegeplan für das Bauhaus-Gebäude.

Dessau, Bauhausgebäude (Bild: M_H.DE, GFDL oder CC BY SA 3.0, 2013)

Dessau, Werkstatt-, Nordflügel, Brücke, Atelierhaus (Bild: M_H.DE, CC BY SA 3.0, 2013)

Von wegen “weiße Schachtel”

1926 entstand das Bauhaus-Gebäude nach Plänen von Walter Gropius, unter Mitwirkung der Bauhaus-Werkstätten. Was zunächst wie eine große Schachtel wirkt, ist ein komplexes Gebilde mit unterschiedlichen Teilen – gestaltet immer entsprechend ihrer Funktion. Den Werkstattflügel mit seiner innovativen Vorhangfassade z. B. nannte Gropius ein “Laboratorium der Ideen”. Hier wurden gemeinschaftlich die Bauhaus-Prototypen entwickelt. Das Atelierhaus (mit der Lochfassade mit den berühmten Balkonen) hingegen bot Wohn- und Arbeitsräume für Studierende und Jungmeister. Daher lag es etwas abseits, so konnten sich die jungen Leute zurückziehen. Ähnlich ließe sich dieser Ansatz an anderen Gebäudeteilen durchdeklinieren.

Diese unterschiedliche Gestaltung setzt sich auch im Inneren fort. Im Werkstattflügel gibt es unverputzte Oberflächen, an denen der schalungsraue Beton sichtbar ist. Auf der Brücke finden sich farbige Deckenfelder. Im Bordflügel hingegen sind – je Etage unterschiedlich – die Unterzüge farbig gefasst. So betrachtet, wird die Gestaltung des Bauhaus-Gebäudes immer komplexer, je tiefer man sich hineindenkt.

Dessau, Bauhausgebäude (Bild: Spyrosdrakopoulos, CC BY SA 4.0, 2014)

Dessau, Bauhaus-Gebäude (Bild: Spyrosdrakopoulos, CC BY SA 4.0, 2014)

Auf die Fenster kommt es an

Originale Fenster sind am Bauhaus-Gebäude außer in der Festebene vor allem in den Nebenräumen wie Sanitärbereichen, Treppenhäusern und Kellern erhalten. Viele Fenster erneuerte man während der Maßnahme von 1976, die auch eine Rekonstruktion der gesamten Vorhangfassade umfasste. Weitere Fenster wurden um 2000 wiederhergestellt – dieses Mal jedoch detail- und materialgetreu. 2010 ersetzte man Fenster der Reko 76 durch thermisch getrennte Profile und Isolierverglasung für eine bessere Energie-Effizienz.

Als das Bauhaus in Dessau 1932 geschlossen worden war, gab es auch Abrisspläne. Doch stattdessen nutzte die nationalsozialistische Verwaltung die Anlage und stellte so deren Erhaltung sicher. Am 7. März 1945 wurde die Stadt Dessau in weiten Teilen durch Brandbomben zerstört, wovon das Bauhaus-Gebäude teilweise betroffen war. Insbesondere die Vorhangfassade aus Stahl und Glas konnte der Hitze nicht standhalten. In der unmittelbaren Nachkriegszeit mauerte man die Außenwände mit kleinen Lochfenstern wieder auf. Als die DDR das Bauhaus wiederentdeckte, setzte man horizontale Stahlfenster ein, die dem ursprünglichen Erscheinungsbild näherkamen. Geblieben waren die horizontalen gemauerten Brüstungen, die dem Konzept der Vorhangfassade widersprachen.

Dessau, wiederhergestelltes Bauhausgebäude, 1983 (Bild: Bundesarchiv Bild 183-1983-0804-025, CC BY SA 3.0)

Dessau, wiederhergestelltes Bauhaus-Gebäude, 1983 (Bild: Bundesarchiv Bild 183-1983-0804-025, CC BY SA 3.0)

Heute Müll, morgen wertvoll

Für das gesamte Gebäude gab es bereits 1976 eine sehr umfangreiche Bestandserfassung – erstellt unter der Leitung des Bauhäuslers Konrad Püschel, in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Architektur in Bauwesen in Weimar. Die auf dieser Grundlage durchgeführte Rekonstruktion umfasste Restaurierung, Konstruktion, Instandhaltung, technische Verbesserung usw. Die Reko 76 bildete eine der ersten grundlegenden Sanierungsmaßnahmen an prominenten Bauhaus-Bauten überhaupt. Zum Vergleich: Am Stuttgarter Weißenhof ging es erst in den frühen 1980er Jahren los.

Die Vorhangfassade wurde 1976 allerdings nicht in Stahl, sondern in Aluminium nachgestellt. Dabei hat man die Stege nicht wie zur Bauzeit außen dunkelgrau und innen weiß gestrichen, sondern einheitlich schwarz eloxiert. Die Fenster auf der Brücke und im Nordflügel wurden durch vereinfachte Nachbauten ersetzt. Einige der 1976 entfernten Fenster verwendete man für Gartengewächshäuser in Dessau und Umgebung. Um das Jahr 2000, im Rahmen dieser sog. Generalsanierung, wurden sie entdeckt, restauriert und wieder am Gebäude eingesetzt. Was heute als technisch unmöglich gilt, kann morgen wiederhergerichtet und am Originalort integriert werden.

Dessau, Bauhausgebäude (Bild: Spyrosdrakopoulos, CC BY SA 4.0, 2014)

Dessau, Bauhaus-Gebäude, Werkstattflügel und Brücke (Bild: Spyrosdrakopoulos, CC BY SA 4.0, 2014)

Energie in die Fenster

Als 2010 in Dessau das Thema energetische Ertüchtigung aufkam, wurde am Bauhaus wieder über die Fenster diskutiert. Zum einen führt die Stahl-Glas-Fassade zu hohen Energieverlusten, zum andern prägte sie das Erscheinungsbild des Bauhaus-Gebäudes. Die Transparenz, die Reflektionen – all dies würde sich durch thermisch getrennte Profile, durch eine Isolierverglasung völlig verändern. Daher suchte man eine Lösung nicht im Baulichen, sondern in der Nutzung. Im Werkstattflügel mit der Vorhangfassade wurden die Arbeitsräume jeden Tag auf etwa 21 Grad geheizt, was im Winter kaum zu schaffen ist. Der Ausweg lag darin, die ständigen Arbeitsplätze an anderer Stelle zu bündeln. In den schwer zu heizenden Zonen findet jetzt eine temporäre Nutzung statt: Seminare, Open Studios usw. Alles Übrige muss zwar temperiert, aber nicht permanent auf 21 Grad gehalten werden.

Es folgte eine sehr detaillierte Auseinandersetzung damit, in welchem Bereich welche Fenster welche Bedeutung haben. Im Ergebnis wurden einzelne Bereiche ausgewählt, in denen energetische Verbesserungen eingebaut werden konnten. Auf den ersten Blick lassen sich die neuen Fenster tatsächlich nicht von ihren Vorgängern unterscheiden: Die Profilbreiten sind identisch, die Profiltiefen natürlich nicht. Nur wenn sie das Element anfassen, fühlt es sich anders an.

An diesem Beispiel wird deutlich, wie sich die Bewertung von Bauelementen innerhalb kurzer Zeit ändern kann. Daher ist es unerlässlich, sich auch mit den originalen Bauteilen sehr genau zu beschäftigen und diese aufzubewahren. Im Bauforschungsarchiv werden Elemente und Materialproben aus den prägenden Phasen der Baugeschichte aufbewahrt. So besteht erstens die Möglichkeit, sie wieder am Gebäude einzubauen. Zum zweiten können so Rekonstruktionen wirklich detailgetreu erarbeitet werden. Und nicht zuletzt trägt das Original Informationen, die kein Foto transportieren könnte.

Dessau, Bauhausgebäude, Eingang (Bild: Spyrosdrakopoulos, CC BY SA 4.0, 2014)

Dessau, Bauhaus-Gebäude, Haupteingang (Bild: Spyrosdrakopoulos, CC BY SA 4.0, 2014)

Oberflächen im Blick

Bei der Generalsanierung zwischen 1996 und 2006 bildeten die Oberflächen ein zentrales Thema. Die Farbigkeit der Innenräume wurde geprägt von Hinnerk Scheper, dem Leiter der Werkstatt für Wandmalerei am Bauhaus. Um sein Ursprungskonzept in allen Details erfassen zu können, wurden sehr umfassende restauratorische Befunduntersuchungen vorgenommen. Denn beim Bauhaus-Gebäude geht es nicht um eine geschmacklich geprägte, dekorative Bemalung, sondern um eine architekturbezogene Ausgestaltung. Der Werkstattflügel beispielsweise wird durch schalungsraue Betonoberflächen, Hohlsteindecken und geschlämmte Mauern geprägt. Farbe wirkt auf matten oder glänzenden Untergründen unterschiedlich, damit wird in der Bauhaus-Architektur gespielt.

Der Aspekt Fußboden konnte durch ein sanierungsbegleitendes Forschungsprojekt vertieft werden. Da war z. B. der Steinholz-Estrich: zweilagig, durch Magnesit gebunden, mit eingemischten Sägespänen. Die poröse untere Schicht dient der Schall- und Wärmedämmung, während die obere Schicht fester und dadurch auch stabiler ausfällt. An zweiter Stelle ist Triolin zu nennen, das auf den ersten Blick an Linoleum erinnert. Doch in diesem Fall handelt es hier um einen frühen Kunststoffbelag auf der Basis von Nitrocellulose mit einem Hanf-Rücken. Dieses Material wurde nur in den 1920er und 1930er Jahren hergestellt – so kann es heute quasi nicht ersetzt werden. Umso wichtiger ist es, solche Fußbodenbeläge im Original zu erhalten.

Zudem wurde bei der Generalsanierung eine denkmalpflegerische Zielstellung festgeschrieben – eine Art Rahmenplan. Darin wird z. B. festgelegt, dass man in einem bestimmten Bereich möglichst nah an den Zustand von 1926 herankommen will. In einer anderen Zone orientieren sich alle Maßnahmen an der Reko 76. Nicht zuletzt gibt es Bereiche, in den z. B. technische Installationen möglich sind. Schon vor zehn Jahren bemühte sich die Stiftung Bauhaus um einen Pflegeplan für das Bauhaus-Gebäude, um bei der Instandhaltung Kontinuität und Qualität zu sichern.

Dessau, Atelierhaus (Bild: Spyrosdrakopoulos, CC BY SA 4.0, 2014)

Dessau, Bauhaus-Gebäude, Atelierhaus (Bild: Spyrosdrakopoulos, CC BY SA 4.0, 2014)

Eine Datenbank für alle

Am Bauhaus Dessau ist der Entwurf für eine Datenbank entstanden, die Informationen zur Instandhaltung und Pflege des Gebäudes systematisch erschließen will. Mit einer kleinen Datenbank stieß das Projekt schnell an seine Grenzen. Weiterführend wurde daher ein Facility-Management-System aufgelegt, mit dem die Stiftung Bauhaus tatsächlich schon arbeitet. Darin kann man Wartungspläne anlegen, Aufträge verfolgen und planen, Störungen melden usw. Zusätzlich ist ein Baustein “Denkmal-Management” entstanden, der an die Facility-Management-Datenbank angedockt wird. Darauf ruht die Hoffnung der Verantwortlichen, in diesem System endlich alle am Bauhaus-Gebäude Beteiligten in einem System zusammenführen zu können.

Literatur

Markgraf, Monika (Hg.), Archäologie der Modernde. Sanierung Bauhaus Dessau. Berlin 2006.

Dessau, Bauhausgebäude, Fenster (Bild: Birgit Böllinger, via Pixabay)

Titelmotiv: Dessau, Bauhaus-Gebäude, Fenster (Bild: Birgit Böllinger, via Pixabay)



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