von Maximilian Kraemer (23/3)

Freiburg ist die südlichste Großstadt Deutschlands. Schwarzwaldromantik, Universität und diverse Betriebe und Behörden locken die Menschen hierher. Kongresse, Musik und Sport haben im lebendigen Freiburg Tradition. Schon im 19. Jahrhundert errichtete man deshalb eine „Kunst- und Festhalle“ am nördlichen Rand der Altstadt. In den 1920er Jahren legte der Architekt und damalige Leiter des städtischen Hochbauamtes Karl Gruber eine Planung vor, die den Bau einer zweiten Veranstaltungshalle im Bereich einer Arbeitersiedlung an der Schwarzwaldstraße bedeutet hätte. Wohl aus wirtschaftlichen Gründen verfolgte man diese Idee nicht weiter. Bald darauf wurde die bestehende Halle des 19. Jahrhunderts im Zweiten Weltkrieg zerstört. Große Teile der Innenstadt lagen in Trümmern. Der erzkonservative Architekt Joseph Schlippe, Nachfolger von Karl Gruber im städtischen Hochbauamt, zielte auf einen traditionsbewussten Wiederaufbau ab. Die teils noch mittelalterlichen Parzellen der Altstadt waren ein wichtiger Teil seiner Stadtplanung. So wollten Schlippe und seine Mitarbeiter das überlieferte Stadtbild fortführen, freilich mit einigen Korrekturen nach persönlichen Vorlieben. Dabei hätten Gebäude mit großer Grundfläche gestört, ganz besonders, wenn dafür der Stadtgrundriss modifiziert werden musste. Neue Großbauten, wie sie beispielsweise für die Universität oder die neue Stadthalle benötigt wurden, sollten deshalb außerhalb des Stadtzentrums entstehen.

Freiburg, Stadthalle von Nordwesten 2023 (Bild: Maximilian Kraemer)

Freiburg, Stadthalle von Nordwesten 2023 (Bild: Maximilian Kraemer)

Ein Wettbewerb ohne Gewinner

Fast hätte Freiburg schon 1946 eine neue Stadthalle bekommen. Allerdings kam ein Handel, bei dem die Stadt ein kostenloses Baugrundstück und die französische Militärregierung das Gebäude beigesteuert hätten, nicht zustande, weil es Unstimmigkeiten bei der Auswahl des Standorts gab. Die Militärregierung bevorzugte einen zentralen Standort, was die Stadt ablehnte. Schließlich wurde 1953 ein Ideenwettbewerb ausgelobt, der den Bau einer Stadthalle am (heutigen alten) Messplatz vorsah. Ein Freiburger Gemeinderatsmitglied, der Bauingenieur Albert Maria Lehr, fertigte etwa zeitgleich einen Entwurf für die neue Stadthalle an. Diesen Entwurf soll Lehr dem Oberbürgermeister persönlich als Modell übergeben haben. Das Preisgericht des Wettbewerbs kam zu dem Ergebnis, dass keiner der eingereichten Entwürfe zur Ausführung kommen sollte. Aus Kostengründen schienen sie schlicht unrealistisch zu sein. Ratsmitglied Lehr wurde mit der weiteren Planung der Stadthalle beauftragt. Er entwickelte im Frühjahr 1954 eine bandartige Bebauung am Rande des Messplatzes, die mit einem Messeturm im Nordosten beginnen sollte. An den Turm schlossen sich die Stadthalle und weitere kleinere, pavillonartige Hallen an, die von einem flach gedeckten Gang verbunden werden sollten. Realisiert wurde davon allerdings lediglich die Stadthalle selbst. In der Berichterstattung der Lokalpresse wurde die ausgesprochen kurze Bauzeit hervorgehoben. Es dauerte keine sechs Monate, bis die erste Veranstaltung im September 1954 die Stadthalle eröffnete.

Freiburg, Stadthalle, Entwurfsplanung in der Broschüre zur Eröffnung 1954 (Scan: Archiv Stadt Freiburg)

Ein Ingenieurbau macht das Rennen

Dass es so schnell ging, hängt mit der Bauweise zusammen. Nur das Kellergeschoss, die Kellerdecke und die Treppen wurden in Stahlbeton ausgeführt. Die aufgehende Konstruktion wurde dagegen konsequent aus genietetem und geschweißten Stahl errichtet. Acht aus der Gebäudehülle hervorspringende Fachwerkbinder gliedern die großzügig verglaste Westfassade. Das filigrane Stahlskelett wurde verkleidet und wirkt dadurch deutlich massiver. Der Haupteingang und die großzügig verglaste Schaufassade orientieren sich nach Westen zum Messplatz. Eingeschossige Anbauten unter Flachdächern umgeben und erschließen die Stadthalle. Auch sie sind großzügig verglast und dokumentieren mit ihren papierdünnen Dachüberständen sowohl architektonische Gestaltungsmittel als auch Material- und Sparzwänge der frühen Nachkriegszeit in der Bundesrepublik. Das Dach fällt nach Osten hin ab und ist dabei leicht tonnenartig gerundet. Die architektonische Gestaltung verweist bei genauerem Hinsehen durchaus auch auf Traditionelles. An der Westfassade mit betonten Bindern und hochrechteckigen Fensterbahnen lässt sich die bei Gebäuden der 1950er Jahre häufig erkennbare Suche nach einer zeitgemäßen Form ablesen. Klassische Proportionen und Motive wurden mit einem zeittypischen trapezförmigen Grundriss und einer ungewöhnlichen Dachform kombiniert. 

Freiburg, Stadthalle von Südosten 2023 (Bild: Maximilian Kraemer)

Über das eingeschossige Foyer betritt man das Innere der Stadthalle. Dort fallen die figürlichen Szenen des lokalen Bildhauers Karl Rißler auf, die in den Betonsockel der Fachwerkbinder eingeschnitten wurden. Eine Szene zeigt zwei Figuren, die mit einem Ball spielen. Eine andere Szene stellt zwei Personen mit Degen beim Fechten dar. Der Boden des Foyers ist mit Bruchsteinplatten belegt. Über das Foyer gelangt man in den Hauptsaal, der mit einer Empore ausgestattet ist. Die Decke des Saals war aus akustischen Gründen mit einer Holzdecke verkleidet, die wellenförmig zwischen den Fachwerkbindern abgehängt war. Unter der Empore des Hauptsaals wurde ein Konferenzraum eingerichtet. Im Osten befand sich die Bühne, unter der ein Restaurant eingerichtet wurde. 

Freiburg, Stadthalle, Detail Vorhalle von Norden (Bild: Maximilian Kraemer)

Es grünt so grün …

Die weitläufigen Freiflächen legte man zeitgleich mit dem Bau an. In Fotos der Stadthalle aus der Einweihungsbroschüre wurde die kantige Konstruktion in bewussten Kontrast mit den dahinter sanft ansteigenden, bewaldeten Hängen des Schwarzwalds gesetzt. Nach Osten setzte sich das Grün in Blumenrabatten und Rasenflächen fort. Heute lugt die Stadthalle fast schüchtern zwischen riesigen Platanen hervor und man kann sich nur noch mit etwas Fantasie vorstellen, wie eindrucksvoll die Szenerie Mitte der 1950er Jahre auf die kriegsgebeutelte Bürgerschaft gewirkt haben muss, wenn diese aus der noch im Aufbau befindlichen Altstadt zum Messplatz gingen.

Freiburg, Stadthalle während der Zwischennutzung als Universitätsbibliothek 2011 (Bild: Andreas Schwarzkopf, CC BY-SA 3.0)

Über viele Jahrzehnte fanden in der Stadthalle allerhand Veranstaltungen statt, die etwas Weltstadtflair ins beschauliche Freiburg brachten. Dazu zählten insbesondere die Konzerte, die zum Beispiel die Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan in der Stadthalle spielten. In den 2000er Jahren entschloss man sich ein neues Messeareal im Westen Freiburgs zu bauen und nutzte die Stadthalle verschiedentlich anderweitig. Verschiedene Umnutzungen gingen auch mit baulichen Veränderungen im Inneren einher. Derzeit ist die Stadthalle wegen baulicher Mängel gesperrt und wird eingehend statisch untersucht. Wie es in Zukunft mit dem seit 2009 als Baudenkmal verzeichneten Gebäude weitergehen könnte, ist noch unklar.

Literatur und Quellen

„Die neue Stadthalle, Herr Professor!“ in: Badische Zeitung (BZ), 06. September 2021.

Begründung der Denkmaleigenschaft, Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg.

Schalten und Walten der Hausfrau, 28. September 1960, SWR Retro – Abendschau, SWR.

Freiburg, Vorfeld der Stadthalle 2023 (Bild: Maximilian Kraemer)

Freiburg, Skelett der Stadthalle, Auszug aus der Broschüre zur Eröffnung 1954 (Scan: Archiv Stadt Freiburg)

Freiburg, Skelett der Stadthalle, Auszug aus der Broschüre zur Eröffnung 1954 (Scan: Archiv Stadt Freiburg)


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Inhalt

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