Er hat Vieles auf den Kopf gestellt: Der Architekt Friedrich Kiesler schuf einen Kinosaal, dessen Projektionsflächen sich auch über die Raumdecke erstreckte, ein Büro mit schwebendem Schreibtisch und ergonomische Sesselobjekte. Geboren 1890 in Czernowitz, gestorben 1965 in New York, entfaltete er dies- und jenseits des Atlantiks eine reiche Wirkung als Architekt, Bühnenbildner, Designer, Künstler und Theoretiker. Dieser facettenreichen Künstlerpersönlichkeit widmet man im Martin-Gropius-Bau ab dem 11. März im Rahmen der Berliner Festspiele eine Ausstellung, die bis zum 11. Juni zu sehen sein wird. Anhand wichtiger Projekte, Künstlerfreundschaften und Gemeinschaftsarbeiten will man hier – erstmals in dieser Form in Deutschland – Kieslers Bedeutung für die moderne Architektur- und Kunstgeschichte aufzeigen.

Nur ein Bauwerk konnte er verwirklichen

Schon 1923 hatte Kieslers elektro-mechanisches Bühnenbild, das er für Karel Čapeks Stück W.U.R. entwickelt hatte, die Berliner Avantgarde begeistert. In New York, wohin er 1926 ausgewandert war, präsentierte man schließlich 1952 seine raumgreifende Skulptur “Rockefeller Galaxy” im Museum of Modern Art präsentiert.

Im Laufe der 1940er Jahre arbeitet Kiesler an zwei umfangreichen Buchprojekten – seiner Designtheorie des Correalismus und einer Kulturanthropologie “Magic Architecture”. Beide Schriften bleiben unpubliziert. Das einzige Gebäude, das Kiesler wirklich umsetzte, wurde in seinem Todesjahr 1965 in Jerusalem eröffnet: der “Shrine of the Book”, den Kiesler mit Armand Bartos entworfen hatte. Das symbolisch hoch-aufgeladene Bauwerk beherbergt die in Qumran am Toten Meer gefundenen Schriftrollen. Auch de nicht ausgeführte “Grotto for Meditation” in New Harmony, Indiana zeugt von Kieslers Begeisterung für sakrale Raumkonzepte in seinem Spätwerk.

Mit großer Leidenschaft entwickelte er Modelle

1933 errichtete Kiesler in den Schauräumen der Modernage Furniture Company in New York das “Space House”, seine Vision eines Einfamilienhauses, als 1:1 Modell. 1934 begann er nach einer zehnjährigen Unterbrechung auch wieder, für das Theater zu arbeiten. An der Juilliard School of Music schuf in 25-jähriger Lehrtätigkeit an die 60 Ausstattungen.

Kiesler behauptet stets, dass jeder “eine gestalterische Grundidee hätte” – seine eigene Arbeit könnte wohl am besten mit “Raum“ bezeichnet werden, der endlos fließende Raum. 1950 gestaltete er erstmals ein kleines eiförmiges Modell für ein “Endless House”. Im Laufe der 1950er Jahre verfeinerte er dieses biomorphe Konzept. 1958 erhielt er ein Stipendium, um im Skulpturengarten des MoMA ein 1:1 Modell des “Endless House” zu formen. Die Umsetzung scheiterte – und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, zählt es unbestritten zu den Ikonen visionärer Architektur des 20. Jahrhunderts.

Jetzt ist er selbst Teil einer Ausstellung

Kieslers visionäre Beiträge wirken bis heute auf die internationale Kunst-, Theater- und Architekturszene. Im Mittelpunkt der Berliner Ausstellung steht Kieslers genreübergreifendes Schaffen in Malerei und Skulptur, Architektur und Design, Theater und Film sowie im Theoriediskurs. Seine Vision einer Wechselbeziehung zwischen Kunstwerk, Raum und Betrachter werden in seinen revolutionären Ausstellungskonzepten sichtbar, wie er es z. B. für Peggy Guggenheims Surrealistische Galerie entwarf. Nun ist er selbst Teil einer Präsentation geworden … (db/kb, 20.2.17)

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