Die Hansestadt Greifswald verliert ein Wahrzeichen: Der weithin sichtbare Kornspeicher am Hafen wird seit Anfang März abgerissen. Damit findet eine schier unendliche Geschichte ihr unrühmliches Ende: Das 1936/37 errichtete, backsteinverkleidete Betongebäude mit dem Greif in der Giebelwand stand seit den 1990ern leer, eine erste Abrissgenehmigung lag bereits 1996 vor. Doch es gab stets Interessenten für eine neue Nutzung des Industriedenkmals. 2002 kündigte ein Investor aus Rostock an, dort eine Gaststätte, eine Arztpraxis und in den oberen Etagen 32 Wohnungen einrichten zu wollen. Es wurde sogar ein Gerüst aufgebaut und erste Arbeiten aufgenommen. Dumm nur, dass keine Baugenehmigung vorlag: Es konnten nicht genug Parkplätze vorgewiesen werden … 2010 verkaufte der damalige Besitzer aus dem Schwabenländle den monumentalen Speicher an die Katholische Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft Petruswerk. Eine weitere Abrissgenehmigung wurde 2012 erteilt, wiederum ohne dass etwas passierte. Auf einen Rückkaufantrag der Stadt ging das Petruswerk 2014 ebensowenig ein, wie auf das Kaufangebot einer sanierungswilligen Investorengruppe aus Thüringen.

Jetzt wird aller Kritik zum Trotz Tabua Rasa gemacht. Nach dem Bebauungsplan 55a von 2019 soll auf dem freiwerdenden Baugrundstück hauptsächlich Wohnraum entstehen und an der Stelle des Speichers ein Gebäude mit der Zweckbestimmung „Hotel“ . Das lässt nichts Gutes vermuten. Im Plan heißt es: „Da der Speicher insbesondere aufgrund seiner Höhe jedoch prägend für die Stadtsilhouette Greifswalds ist, ist der Neubau in vergleichbarer Form zu errichten. Die festgesetzten Baugrenzen orientieren sich in ihrer Ausrichtung an dem bisher bestehenden Speichergebäude.“ Was nach einer Reminiszenz an den verlorenen Altbau klingt, dürfte eher der Freifahrschein für ein neues Trumm sein, mit dem man legal die Dimensionen sprengen darf. Wurde Greifswald um die Jahrtausendwende geradezu übervorbildlich denkmalgerecht saniert, so scheint man seit einigen Jahren die Baukultur gänzlich aufgegeben zu haben: Neben einigen schmerzhaften Abrissen ist die Qualität der dortigen Neubauten auf ein nahezu unterirdisches Niveau gesunken. Der von Heinrich Klotz schon Anfang der 1970er gescholtene “Bauwirtschaftsfunktionalismus” lebt … (db, 18.3.21)

Greifswald, Kornspeicher (Bild: Svenja Fischer / Moritzweb, CC BY-SA NC 2.0)

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