Der Begriff der “Stadtreparatur” (in den 1970ern von Manfred Sack re-etabliert) geistert seit mindestens einem Jahrzehnt virulent durch die Sprache von Investoren, Stadtplanern, Architekten und Politikern. Jeder, der mit irgendeinem ästhetischen Ansatz an bestehenden baulichen Situationen etwas verändern möchte, spricht von “Reparatur”. Vorgergründig geht es darum, einen früheren, zum Ideal erhobenen Zustand wieder nahe zu kommen. Dass dahinter in der Regel knallharte wirtschaftliche Interessen stecken, lässt sich hinter der Formulierung halt auch trefflich verbergen. Denn es ist meist strittig, ob denn die jeweilige Situation überhaupt “kaputt” ist. In Pforzheim wird demnächst der neuen City Ost so ziemlich alles geopfert, was nicht niet- und nagelfest ist. So fallen nach dem Tabula-Rasa-Prinzip das begnadete Lutherhaus am Schlossberg samt Nachbarbauten (1968), das Technische Rathaus (1956), mehrere Geschäftshäuser der späten 1960er und – hier haben die Bagger gerade begonnen – das “I-Dipfele”, ein kleiner postmoderner Restaurantbau von 1986.

Das, was gebaut werden soll, lässt die Herzen nicht höherschlagen: Die Ten Brinke Group, europaweit erfahren im Erstellen von einander auffallend ähnlichen Supermärkten, Autohäusern, Privatbauten und Großwohnanlagen, spendiert der Stadt Pforzheim eine Reihe weißer Raster-Kuben, die ob ihrer Einfallslosigkeit sprachlos machen. Das einzig Positive: Der Autoverkehr wird vom Schlossberg wieder verschwinden. Doch nach dem Abschied von der autogerechten City hätte man hier auch mit den gewachsenen Stukturen arbeiten können. Aber gut: Warum sollte sich Pforzheim von anderen Städten unterscheiden, in denen die urbanen Planungen der 1960er bis frühen 1990er Jahre begraben werden. Neben der Verkehrsberuhigung träumen alle von “neuer” Aufenthaltsqualität und der Rückbesinnung auf historische Strukturen; der “Rückeroberung des Straßenraums.” Alle sollen zufrieden sein, niemand sich daran stoßen: Genauso lauwarm und kalorienreduziert geraten die Reparaturen dann auch landauf, landab …

Der Pforzheimer Schlossberg ist also bald brav gerastert. Statt des Hamburger City-Hofs kommt ein weiterer geklinkerter Blockrand-Riegel (genauso wie die Nachbargebäude – nur unauffälliger). Das brutalistische Kröpcke-Center in Hannover ist schon lange zur Travertin-Käseecke umgestaltet. Egal, wohin man sieht, Stadtreparatur gerät meist beige oder weiß. Sie muss unbedingt bis an den Blockrand gehen. Und dass wir alle erst dann glücklich flanieren können, wenn wir durch endlose Reihen von Kollonaden schreiten, haben wir auch erst in den vergangenen Jahren gemerkt – na sowas! Aber vielleicht kommt ja irgendwann doch wieder eine Architektur in Mode, die den Blick bindet – an eine zerklüftete Fassade oder eine ungewöhnliche Kubatur, an auffällige Oberflächen oder auch eine inszenierte Schroffheit. Und womöglich werden dann auch die ängstlichen Unambitioniertheiten der 2010er-Jahre wegrepariert. (1.7.19)

Daniel Bartetzko

Titelmotiv: Hannover, Kroepcke-Center (Bild: Christian Schd, CC BY SA 3.0)

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