Die klassische Moderne gilt oft als stilistischer Gegenpol zu den europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Tatsächlich förderten Nazideutschland oder die stalinistische UdSSR neoklassizistische Prunkbauten, während man die Architektur des Neuen Bauens ablehnte. Anders in Italien: Viele Architekten des “Razionalismo”, der italienischen Spielart der Moderne, suchten den Schulterschluss mit der faschistischen Diktatur Mussolinis. Der Bildband “Borgo Romanità Alleanza” der Fotografin Johanna Diehl dokumentiert dieses Zusammenspiel.
Das Buch legt drei Schwerpunkten: Den ersten bilden die sog. “Borghi”, am Reißbrett entstandene Musterdörfer, welche die Kulisse für das Landleben im faschistischen Italien bilden sollten – und sich heute oftmals als Geisterstädte präsentieren. Anschließend führt das Buch ins Machtzentrum der Diktatur: nach Rom. Hier verbanden Mussolinis Architekten die rationale Formensprache mit der Tradition des römischen Reichs, wie für die Fresken und Innenräume faschistischer Verwaltungsgebäude. Zuletzt wird die “unheilige Allianz” der katholischen Kirche mit der Diktatur skizziert, die sich auch in zeitgenössischen Kirchenbauten niederschlug. Der Bildband erhielt den Deutschen Fotobuchpreis 2015 in Silber. (jr, 31.1.15)