Es ist nie erfreulich, wenn ein Relikt des Wirtschaftswunders inklusive eines über 120 Jahre alten Backsteinhauses einer Investoren-Wohnanlage weichen muss. Doch im konkreten Fall gab es zumindest in Teilen eine Rettung: Eine ehemalige Gasolin-Tankstelle aus Stade an der Elbe hat im Freilichtmuseum am Kiekeberg nahe Hamburg ihre neue Heimat gefunden. Die Erben des einstigen Betreibers haben sich mit dem Freilichtmuseum über die Translozierung geeinigt, bevor die Bagger anrückten. Das Gebäude, eine Typtankstelle „T6“ von 1954, gelangte per Tieflader an seinen neuen Standort. Bis Ende der 1960er floss in Stade der Sprit unterm Gasolin-Logo, dann übernahm Aral die Kette. 1984 wurde der Tankstellenbetrieb eingestellt, die zugehörige Werkstatt bis zuletzt untervermietet.
Nun steht die Gasolin-Station in der „Königsberger Straße“: Hier reihen sich Bauwerke des Wirtschaftswunders, darunter eine kleinstädtische Ladenzeile mit sechs Geschäften, ein nachkriegsmoderner Aussiedlerhof und ein „Quelle“-Fertighaus. Die Einweihungsfeier der „Tankstelle Mehrtens“ ist am 15. September. Doch nicht nur das Wirtschaftswunder, auch die gesellschaftliche Entwicklung ist in dieser Museumsstraße Thema: Millionen Flüchtlinge, Vertriebene und etliche ehemalige Zwangsarbeiter waren nach dem Zweiten Weltkrieg zu Neubürgern. Der Kreis Harburg nahm überproportional viele von ihnen auf: 1939 lebten dort noch 62.602 Menschen, zehn Jahre später 124.397. Ein vorbildhaftes Verhalten, das nicht in Vergessenheit geraten sollte … (db, 12.8.19)
Freilichtmuseuseum am Kiekeberg, Gasolin-Tankstelle (Bild: Museum)