Mit seiner fotografischen Studie „Scared Modernity“ wirft Jamie McGregor Smith (*1982, Weymouth, UK) einen faszinierenden Blick in christliche Kirchen der 1960er Jahre. Die Aufnahmen zeigen zumeist Innenräume europäischer Kirchbauten, deren erhabene Sakralität und unbedingte futuristische Architektursprache sich gegenseitig verstärken – und Räume des Universums bilden, die selbst die damals kühnsten Science-Fiction-Kulissen spielend in den Schatten stellen. Kühler Minimalismus, struktureller Expressionismus und unverstellter Brutalismus, zugleich eine neue Grundrisskultur, die die Gemeinden selbst in den Mittelpunkt rücken, machen diese Bauten aus.
Ausgelöst wurde diese Sakralarchitektur durch die Reformimpulse des Zweiten Vatikanischen Konzils in den frühen 1960er-Jahren. Damals wurde unter anderem die Suche nach einer zeitgenössischen architektonischen Formensprache eingeleitet, mit der die katholische Kirche zum Ausdruck bringen wollte, dass sie sich als Teil der Moderne verstand. Heute, 60 Jahre später, macht Jamie McGregor Smiths mit der Kraft seiner Fotografie deutlich, wie sehr diese Zukunftsvisionen aus der Vergangenheit mit ihren futuristischen, irritierend-anziehenden Formen bis heute nichts von ihrer inspirierenden, überwältigenden Wirkungsmacht verloren haben. Das Buch ist eine Pilgerreise ins Universum, die man im Gartenstuhl unternehmen kann oder als irdischen Reiseführer auf die nächste Europareise mitnehmen sollte. (pk, 12.7.24)