Dass es in Potsdam der Ostmoderne an den Kragen geht, ist leider trauriges Allgemeinwissen. Nun geht die Stadtreparatur in die nächste Stufe, denn ein markanter Bau der Postmoderne soll fallen. Erste Ideen für die sog. Nutheschlange reichen zurück bis zur Berliner IBA 1984-87. Im Geist eines behutsamen Stadtumbaus sollte am Potsdamer Humboldtring eine begrünte, bewohnbare Lärmschutzwand entstehen: vorwiegend zwei- bis dreigeschossige Reihenhäuser um und über einem teils künstlichen Wasserlauf. Die expressiven Entwürfe stammten vom Architekten Hinrich Baller, lange Jahre Professor an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste. Bauträger war die GEWOBA, heute Tochter der kommunalen Immobilienholding Pro Potsdam.
Schon während der Baumaßnahme, die sich bis 2002 hinzog, gab es juristische Streitigkeiten zwischen Architekt und Bauträger. Inzwischen steht der Kopfbau, das sog. Terrassenhaus mit 38 Wohnungen und 200 Stellplätzen leer und soll abgerissen werden – eine Sanierung sei einfach zu kostspielig. Baller pocht auf sein Urheberrecht und vermutet ökonomisches Kalkül: Der Neubau verspreche mehr rentable Wohnfläche. Auch der Bund Deutscher Architekten (BDA) spricht sich gegen den Abriss aus und eine lokale Initiative kämpft gegen die Nachverdichtung. Ende letzter Woche jedoch lehnte der städtische Bauausschuss (ebenso wie der Umweltausschuss) ein Moratorium gegen den Abriss ab – die Diskussion dürfte weitergehen. (kb, 4.9.19)
Potsdam, Nutheschlange (Bild: Initiative Nutheschlange)