In Moskau geht es den Baudenkmälern des Konstruktivismus an den Kragen. Anfang Juni begann im Stadtteil Chamovniki unter Protesten von Architekten und Denkmalschützern der Abriss des Wohnkomplexes Pogodinskaja. Die Arbeitersiedlung wurde 1928/29 von Alexander Volkov, Jakov Ostrovski und Valentin Bibikov gebaut. Teil des Ensembles ist der berühmte Arbeiterklub der Kautschukfabrik von Konstantin Melnikov. Dieser bleibt zwar erhalten, wird sich aber demnächst in der Nachbarschaft neo-stalinbarocker Luxuswohnhäuser wiederfinden.
Chamovniki ist nicht das erste Moskauer Viertel, das seine konstruktivistischen Bauwerke einbüßt. In den letzten Monaten rückten die Bagger letzteren immer wieder zu Leibe. Prominentes Beispiel ist das Taganer ATZ-Gebäude, eine der ersten automatisierten Telefonzentralen Moskaus, das 1929/30 nach Plänen Vasilij Martynovič errichtet wurde. Trotz Protesten und einer Sammlung von 38 000 Unterschriften wurde es 2016 abgerissen – ohne Einwände des städtischen Denkmalschutzes. Die Freunde des Konstruktivismus geben sich dennoch nicht geschlagen. So funken zum Beispiel das Avantgarde-Zentrum der Moskauer Bibliothek „Prosveshenije trudjasshichsja“ oder The Constructivist Project SOS und informieren umfassend über aktuelle Planungen und Entwicklungen, die das konstruktivistische Kulturerbe bedrohen. (jr, 22.6.16)