Wer noch Steuererklärungen abgeben muss und in Berlin wohnt, hat jetzt einen guten Grund, die Sache endlich anzugehen. Denn ab sofort ist das im Denkmal möglich, im Finanzamt Reinickendorf. Auf der imaginären de facto-Denkmalliste der Hauptstadt steht das Gebäude schon seit Jahren, moderneREGIONAL hat es 2023 auch schon mal porträtiert, nun ist es tatsächlich eingetragen. Der Bau, den der West-Berliner Architekt und damalige Leiter der Hochbauabteilung bei der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen, Rainer Gerhard Rümmler, 1971–1976 entworfen hat, erlebte seit seiner Eröffnung nur geringe Veränderungen und ist ein herausragendes Zeugnis der „Formensprache und Farbenfreude der 70er Jahre in West-Berlin“, wie der Berliner Landeskonservator Christoph Rauhut es zusammenfasst.
Von außen betrachtet lässt das großdimensionierte Eckgebäude mit seinen braunen und schwarzen Fassadenteilen schon erahnen, was sich im Inneren entfalten wird. Die abgerundeten Ecken der Fenster und die Staffelung der Baukörper verheißen, dass Pop Art vorkommen könnte. Aber dass sich in jedem Stockwerk ein signalfarbenes Orientierungssystem entspinnt, riesige Piktogramme in Form von dampfenden Kaffeetassen, Männlein und Weiblein oder Sperrkreuzen an den Türen prangen, verkehrsschildgroße Pfeile auf den Ausgang hinweisen oder übergroße Ziffern den Weg zu den Büros erleichtern, das erst macht das Finanzamt zu einem echten und unverkennbaren Rümmler-Bau. Hier tobte sich der Architekt noch mehr in Farbe und Form aus, als er es in seinen U-Bahnhöfen der gleichen Jahre tat. Interessanterweise, das sei nebenbei bemerkt, handelt es sich bei der Umgebung des Finanzamts nicht nur um ein neues Verwaltungszentrum, das ab den 1960er Jahren im Zusammenhang geplant worden war, sondern auch um ein mit den Jahrzehnten gewachsenes Ensemble des Architekten Rümmler. Die benachbarte Polizeistation hatte er in den 1960er Jahren entworfen, nach dem Finanzamt in den 70ern kam dann 1994 noch der U-Bahnhof Rathaus Reinickendorf hinzu, der durch seinen Pavillon auch über der Erde Präsenz zeigt. Jetzt muss nur noch die Kantine im obersten Stock des Finanzamts wieder öffnen, damit das neue Denkmal unter riesigen orangen Lampen und mit Blick auf Original-Rümmler-Zeichnungen an den Wänden öffentlich genossen werden kann. (pk, 3.7.25)

Berlin-Reinickendorf, Finanzamt Reinickendorf, Architekt Rainer Gerhard Rümmler, 1971–76, Keramikrelief am Treppenturm: Susanne Riée (Bilder: Verena Pfeiffer-Kloss, 2016)

