In den 1990er Jahre war das frisch wiedervereinigte Berlin voller Utopist:innen. Sie besetzten Häuser, tanzten in halblegalen Clubs und erhoben das Provisorium zur Lebensform. Noch war die Metropole eine einzige Baustelle und präsentierte sich jeden Tag neu, denn erst nach 2000 nahm das Gesicht der neuen Hauptstadt feste bauliche Formen an. In diese Übergangszeit, auf die heute gealterte Ex-Hausbesetzer:innen mit Nostalgie zurückblicken, führt die Ausstellung „Träum Weiter – Berlin, die 90er“ in das Berlin der Subkulturen zurück. Sie schöpft aus dem Bildfundus der Agentur „Ostkreuz“, die 1990 von Fotograf:innen aus der gerade aufgelösten DDR begründet wurde und sich rasch einen Namen in der Dokumentarfotografie machte.
Zu sehen sind rund 200 Aufnahmen von Sibylle Bergemann, Harald Hauswald, Ute und Werner Mahler, Annette Hauschild, Thomas Meyer, Jordis Antonia Schlösser, Anne Schönharting und Maurice Weiss. Die Ausstellung „Träum Weiter – Berlin, die 90er“, kuratiert von Annette Hauschild (Ostkreuz) und Boaz Levin (C/O Berlin Foundation), ist im C/O Berlin (Amerika Haus, Hardenbergstraße 22–24, 10623 Berlin) noch zu sehen bis zum 22. Januar 2025. Fun Fact: Zur Ausstellung gibt es eine eigene Playlist, die von neun Ostkreuz-Fotograf:innen ausgewählt wurden, um den Geist des 1990er-Jahre-Berlins erlebbar zu machen. Denn am Ende verstehen die Kurator:innen die Ausstellung nicht als nostalgischen Rückblick, sondern als Ermunterung zum anhaltend unvernünftigen Utopismus. (kb, 22.10.24)
Maurice Weiss, Baustelle am Potsdamer Platz, Berlin-Mitte, 1994 (Bild: © Maurice Weiss/Ostkreuz)