“Wer keine Depressionen hat, der kann sich hier welche holen.” So brachte der Bonner Generalanzeiger eines der Schlüsselwerke westdeutscher Literatur auf den Punkt. Mit seinem Buch “Treibhaus” nahm der Schriftsteller Wolfgang Koeppen 1953 die Atmosphäre der damaligen Bundeshaupstadt ins Visier. Koeppen porträtierte das Bonn der ersten Nachkriegsjahre aus der Sicht des todraurigen Abgeordneten Keetenheuve: irgendwo zwischen Altnazis und Fastdemokraten, zwischen Kaltem Krieg und Wiederbewaffnung.
Eine bedeutende Rolle spielt bei Koeppen die kriegszerstörte Stadtlandschaft. Da irrt der Schöngeist Keetenheuve durch Ruinen und Provisorien, um sich am Ende – nach einem gescheiterten Annäherungsversuch auf einem Ruinengrundstück – selbst zu ertränken. Mit seiner Dissertation, frisch erschienen im Droste Verlag, deutet Benedikt Wintgens Koeppens Roman als verschlungenen Weg der Bundesrepublik zu einer pluralistischen Öffentlichkeit. Entlang der Treibhaus-Metapher und der damit verbundenen medialen Debatte skizziert er den Übergang vom NS-Regime in die Bonner Republik. (kb, 2.6.19)
Bonn, leerer Plenarsaal im Bundestag nach der Abstimmung über das Gesetz zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1952 (Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F091457-0001, CC BY SA 3.0, 1952)