Den Boom hat das Genre Vedute zweifellos hinter sich. Während Bildungsreisende des 18. Jahrhunderts darauf brannten, möglichst wirklichkeitsgetreue Stadtansichen und Landschaftsgemälde als Souvenir zu erstehen, wird das Urlaubsfoto heute erst nach Durchlauf individualisierender Bearbeitungsprogramme satisfaktionsfähig. Doch ganz totzukriegen ist das Genre Vedute nicht: Der Architekt Matthias Castorph hat es in den Kellern deutscher Fahrschulen wiederentdeckt und ihm eine Monographie gewidmet.

Die Illustrationen der entsprechenden Lehrbücher und Prüfungsbögen wählen sich standardisierte Stadtansichten, die dem Betrachter als urtypischer städtischer Hintergrund im Gedächtnis bleiben sollen und die erstaunliche Ähnlichkeiten zu den klassischen Veduten aufweisen. Castorph “bereinigte” die Abbildungen um den Straßenverkehr, so dass sich Bilder einer universell übertragbaren “Normalstadt” herauskristallisieren. Laut dem Soziologen Julian Müller verwandelt der Autor damit “all die öden Theoriestunden in der Fahrschule nachträglich in Diavorträge zur modernen Vedutenmalerei […] gehalten von ausgebildeten Kunsthistorikern, die sich “Fahrlehrer” nennen”. Die Architekturgalerie Kaiserslautern widmet dem Thema bis zum 17. Dezember die Ausstellung “Veduten der Normalstadt”. (jr, 9.12.15)

Castorph, Matthias, Veduten der Normal-stadt. Mit einem Vorwort von Julian Müller, Franz Schiermeier Verlag, München 2015, 184 Seiten, 82 Abbildungen, ISBN 978-3-943866-39-1.

Retuschiert man der Verkehr einmal weg, wird das Fahrschulbild zur Vedute der Normalstadt (Bild: Architekturgalerie Kaiserslautern)

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