Ressourcenschonung und Klimagerechtigkeit hat die aktuelle Architektur nicht erfunden, denn umwelt- und sozialorientiertes Bauen beschäftigt die Architekt:innen schon seit Jahrzehnten. Um diesen Hintergründen wissenschaftlich auf den Grund zu gehen, hat die Universität Kassel nun die Forschungsstelle Geschichte Ökologisches Bauen (FGÖB) gegründet, die bundesweit erste ihrer Art. Durch das UniArchiv und das doku:lab werden dafür Vor- und Nachlässe zentraler Akteure:innen sowie Zeitzeug:innen-Erinnerungen gesichert. Der Schwerpunkt soll auf der Geschichte der Gesamthochschule Kassel, heute Universität Kassel, liegen. Um diese Dokumente in einen weiteren Kontext zu stellen und einen Beitrag zur aktuellen Architekturdebatte zu leisten, wurde im Jovis Verlag die Schriftenreihe „Fundamente Ökologisches Bauen“ aus der Taufe gehoben. Den Auftakt der historischen Arbeit der Forschungsstelle bildet nun der Vorlass von Gernot Minke, weitere Vor- und Nachlässe sollen folgen.
Von 1974 bis 2011 arbeitete der gelernte Architekt und Stadtplaner und praktizierende Künstler Gernot Minke an der Universität Kassel (vormals (Gesamt-)Hochschule). Hier machte er sich rasch einen Namen in alternativen Bautechniken: Lehm, Stroh, Bambus und begrünte Dächer. Sein Praxishandbuch „Bauen mit Lehm“ wurde neunmal in zwölf Sprachen aufgelegt. Zu seinen Vorbildern zählt er den Architekten und Ingenieur Frei Otto, an dessen Stuttgarter Institut er nach dem Studium gearbeitet hatte. Nach einer kurzen Lehrtätigkeit in Ulm wechselte er nach Kassel, wo er u. a. das Forschungslabor für Experimentelles Bauen gründete. Für einen modernen Umgang mit dem kostengünstigen Baustoff kombinierte Minke den traditionellen Stampflehm mit der nubischen Tonnenbauweise. Vor diesem Hintergrund erstellt er beispielsweise auf dem Außengelände der Kunsthochschule 1992 eine experimentelle Kuppelkonstruktion aus Lehmziegeln. Zur documenta 14 restaurierte Minke seinen Kasseler Erstling und erschloss ihn unter dem Titel „Erde – Raum – Klang“ als Klanginstallation (Diego Jascalevich mit Jochen Laube). Dieses und viele weiter Projekte Minkes sind in seinem Vorlass nun in Kassel dokumentiert durch Pläne, Zeichnungen, rund 18.000 Dias, Aufzeichnungen und Dokumentationen, Korrespondenzen sowie eine umfangreiche Sammlung der Publikationen von und über Minke. (kb, 6.2.25)

Kassel, Erde-Raum-Klang von Gernot Minke, 1992 (Bild: Dr. Michael Willhardt, via clayblog.de, 2017)