Es war die große Verheißung von Freiheit: Im Studentendorf Schlachtensee sollte “die akademische Elite von morgen Demokratie lernen, üben und sich vor allem als selbstbewusste Gemeinschaft empfinden, unterstützt durch die Architektur.” Was die Amerikaner in den 1950er Jahren als Geschenk errichten ließen, wurde ab 2002/03 von einer Genossenschaft aus Studierenden und Befürwortern vor dem Abriss gerettet und als neuer Freiraum denkmalgerecht wiederhergerichtet. Diese Vision von akademischer Gemeinschaft ist aktuell an vielen Universitäten nicht lebbar – der Campus wurde an den heimischen Laptop verlagert. Umso schützenswerter erscheint das Berliner Beispiel. Als vor einigen Tagen die Prämierten beim Deutschen Preis für Denkmalschutz bekanntgegeben wurden, war auch die Studentendorf Schlachtensee eG darunter.

Überraschenderweise wurde das große Thema der letzten Monate, die digitale Kulturarbeit, nun schon im zweiten Jahr in Folge nicht mit einem Denkmalschutzpreis bedacht. Der virtuelle Raum erschien den Juroren vielleicht zu wenig greifbar. Dabei waren es in jüngster Vergangenheit oft die Sozialen Medien, die Denkmalbelange erfolgreich ins Gespräch brachten. Das vielfach geteilte Musikvideo von Erdmöbel und Judith Holofernes half den Kölnern dabei, ihren Ebertplatz wieder unter Wasser zu setzen. Die Hamburger versammelten sich nach Facebookaufrufen zu Musik und Open-Air-Yogastunden, um für ihre denkmalwerten Brücken zu werben. Wir entdeckten den öffentlichen Raum neu und besetzten ihn hoffnungsvoll.

Im Shutdown wurden Zäune und Absprerrungen ironischerweise oft zum Garant kleiner Freiheiten. Pop-up-Fahrradwege etwa machten den Kampf um den öffentlichen Raum unübersehbar. Wie viel davon bleiben wird, bleibt abzuwarten. Mit einem Herbst, der sich kaum noch als Spätsommer wegignorieren lässt, mit immer mehr abgeriegelten Hotspots sind uns die kleinen Fluchten ins Freie zunehmend verwehrt. Die Maske schränkt nun oft schon auf Straßen und Plätzen das Blickfeld ein. Der Spielraum verlagert sich nach innen. Zurück auf normal, ob alt oder neu, wird immer unwahrscheinlicher. Und wo nichts mehr zu verlieren ist, wächst bekanntlich der Mut. Denken wir immer mal wieder frei vor uns hin, waschen uns natürlich davor und danach gründlich die Hände und verbergen ggf. aufkommende gute Laune hinter dem Mund-Nase-Schutz. Der nächste Frühling wird ein Fest! (9.10.20)

Karin Berkemann

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