Häuser von Architektinnen muss man in den Nachschlagwerken und Inventarlisten zum 20. Jahrhundert mit der Lupe suchen. Teils waren sie als selbständige Baukünstlerinnen weniger sichtbar, teils verschwanden sie hinter dem Büronamen des prominenteren Ehemanns. Dem könnte das Landesdenkmalamt Berlin jetzt mit seiner neuesten Unterschutzstellung ein wenig abhelfen, den das mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) Berlin entstandene Wohnhaus von Myra Warhaftig in der Dessauer Straße 38-40 in Berlin-Kreuzberg wurde frisch unter Denkmalschutz gestellt. Nach ihrem Architekturstudium in Haifa lebte und arbeitete Myra Warhaftig (1930-2008) zunächst in Paris, bevor sie nach Berlin wechselte. Hier machte sie sich einen Namen durch ihre Forschungen zu jüdischen Architekt:innen vor und nach 1933.
Aber auch Formen emanzipatorischen Wohnens lagen ihr am Herzen, nicht umsonst verfasste sie dazu bis 1982 ihre Promotion. Um diese Erkenntnisse auch in die gebaute Praxis zu überführen, gestaltete sie von 1990 bis 1993 das Wohnhaus in der Dessauer Straße38-40. Es blieb ihr einziges ausgeführtes Bauprojekt überhaupt. Umso konsequenter verfolgte sie hinter einer klaren Fassade das Ziel eines frauen- und familiengerechten Wohnens – durch miteinander vernetzte, gleich große Individualräume, Loggien und Wintergärten rund um die Wohn-Raum-Küche. Sie selbst lebte hier bis zu ihrem Lebensende. Damit steht das Wohnhaus Myra Warhaftig für das Lebenswerk einer innovativen Bauforscherin und Architektin und zugleich für die wegweisenden Ansätze und Spielräume der IBA 1987 weit über Berlin hinaus. (kb, 15.10.24)