Im Frankfurter Museum Angewandte Kunst (mak) ist derzeit die Ausstellung „Yes, we care“ zu sehen. Sie erzählt die Geschichte der Gemeinwohlpflege und Daseinsfürsorge im Neuen Frankfurt, das aktuell sein 100. Jubiläumsjahr feiert, und wirft zugleich einen Blick darauf, wie es um Care-Arbeit, Gesundheitsversorgung und öffentliche Kinderbetreuung im heutigen Frankfurt steht. Nun ist der Ausstellungskatalog „Yes, we care. Das Neue Frankfurt und die Frage nach dem Gemeinwohl“, herausgegeben von der stellvertretenden Direktorin und Kuratorin des mak, Grit Weber, und dem Direktor und Kurator des mak, Matthias Wagner K, bei Spector Books erschienen. Die Autor:innen betrachten darin vier Bereiche der Care-Arbeit gestern und heute: Bildung, wohnen und Haushalt, soziale Fürsorge und Gesundheit. Sie beleuchten, welche Institutionen, Initiativen und Konzepte es im Neuen Frankfurt vor 100 Jahren gab und inwiefern sie spürbar waren im damaligen Alltagsleben. Wie in der Ausstellung auch werden die historischen Betrachtungen mit heutigen Fragen verbunden. Bieten die Innovationen von damals Anregungen oder gar Lösungen für aktuelle Herausforderungen in der Care-Arbeit? Können darin Ansätze, Ideen und Expertisen gesehen werden, um die aktuelle „Care-Krise“ (Matthias Wagner K, Grit Weber) zu lösen?

Mit ihren Beiträgen erörtern die Autor:innen unter anderem unterschiedliche Strategien der Gemeinwohlpflege, die Ausrichtung dieser auf bestimmte Familienstrukturen und den Zugang zu sozialen Angeboten. Dabei werden auch konfessionelle Initiativen der christlichen und jüdischen Gemeinschaften im damaligen Frankfurt ein bezogen. Überraschend sind mitunter auch die Einblicke in die unterschiedlichen Sektoren, in denen sich die Veränderungen der Rolle der Frau entwickelte und spiegelte: mal aufgezeigt an der Entwicklung der Frauenberufstätigkeit im Zuge der Ausformung eines Systems zur professionellen Krankenpflege, mal nachvollzogen anhand der Bildungsreformen, von der allgemeinen Frauenbildungsbewegung in der Weimarer Republik bis zu lokalen Frauenausbildungsstätten wie der Lohelandsiedlung in der Rhön, nicht weit entfernt von Frankfurt am Main. Unter anderem am Beispiel der Auswirkungen der Corona-Pandemie zeigt das Buch, wie die Lasten in Erziehung, Pflege und Hausarbeit heute nicht nur im Hinblick auf Klassismus und Geschlechterrollen, sondern auch in der globalen Perspektive ungerecht verteilt sind. Die Sorge um das Gemeinwohl ist immer noch elementar, politisch brisant und dringend. Können wir an den innovativen Zeitgeist der 1920er Jahre anknüpfen, die damaligen Ansätze für die heutige Situation weiterdenken? Das Buch regt dazu an. Und ist zudem vom Grafikbüro Sandra Doellner noch außergewöhnlich attraktiv gestaltet. Herausragend in Form und Inhalt, ganz wie das Neue Frankfurt. (pk, 29.6.25)

Weber, Grit/Wagner K., Matthias, Yes, we care. Das Neue Frankfurt und die Frage nach dem Gemeinwohl, Spector Books, 2025, Softcover, 320 Seiten, 150 Schwarz-Weiß- und 50 Farbabbildungen, 16×24 cm, ISBN 978-3-9590-5887-2.

„Yes, we care“ (Grafik: Bureau Sandra Doeller © Museum Angewandte Kunst)

"Yes, we care" (Grafik: Bureau Sandra Doeller © Museum Angewandte Kunst)

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