München diskutiert noch immer über seine Isar-Philharmonie: über den Neubau des Konzertsaals im Werksviertel, über die Sanierung des Kulturzentrums am Gasteig – und wieder über den möglichen Abriss der Philharmonie. Dabei geht es meist um die Kosten, nicht um die Architektur, denn beliebt war der Bau bei den Münchnern noch nie. Seit 1985 schlägt an dieser prominenten Stelle eigentlich das kulturelle Herz Münchens. Über einen steilen (auf bayrisch: gachen) Steig geht es vom Ufer der Isar hinauf in das Stadtviertel Haidhausen. Die schroffe und steile Fassade der Philharmonie nimmt die Steigung der Isarhochkante auf und überhöht sie. So thront der Konzertsaal als sichtbare Landmarke über der Isar.

Der gache Steig

In diesem “gachen” Baukörper sollte die Architektengemeinschaft Raue, Rollenhagen und Lindemann ein ganzes Knäuel von Kultureinrichtungen unterbringen: die große Stadtbibliothek, die Münchner Volkshochschule, das Richard-Strauss-Konservatorium und den Konzertsaal mit weiteren Sälen und Nebenräumen. Durch gemeinsame Formen und Materialien schufen die Architekten daraus ein abgestimmtes und vernetztes Ensemble: Das geschwungene warme Holz, mit dem der Konzertsaal ausgekleidet ist, die für München-Haidhausen typischen Ziegel und viel Sichtbeton. Charakteristisch ist die kassettierte Decke, die Benutzern der Stadtbibliothek genau so begegnet wie den Konzertbesuchern vor dem Carl-Orff-Saal. Ein “Foyerband” durchzieht das gesamte Ensemble und gibt immer wieder den Blick nach außen auf die Münchner Altstadt frei.

Der krönende Abschluss ist freilich die markante, plastische Fassade der Philharmonie, die von den Architekten auch als “Bastion” bezeichnet wurde. Die roten Ziegel ihrer schroffen Fassade sind bis weit über die Isar zu sehen – und erinnern vielleicht daran, dass unter dem Grundstück einmal eine Tongrube lag, aus der die gleichfarbigen Ziegel für die Münchner Frauenkirche und andere Bauten der Stadt gewonnen wurden. Die prismatischen Fassadenfenster nehmen die Formen der Orgel im Konzertsaal auf und machen Passanten, die von der Innenstadt aus direkt auf den Gasteig zu gehen, neugierig auf das Kulturzentrum. Doch nicht alle Münchner ließen sich davon ansprechen.

Burn it!

“Burn it!” hatte schon 1986 ein zorniger Leonard Bernstein ins Konzerthaus-Gästebuch geschrieben – weil die die Münchner zu zaghaft applaudiert hatten, nicht wegen der angeblich schlechten Akustik. Doch genau diese machte die Presse für Bernsteins Unmut verantwortlich. So begann ein “jahrelanges Gerangel um die Saalakustik” und der Konzertsaal fiel in Ungnade. Noch dazu kam der Dauerstreit zwischen den Münchner Philharmonikern und der Orchester des Bayerischen Rundfunks, die sich das Konzerthaus teilen müssen. Die heutige Diskussion ist wohl eine weitere Eskalationsstufe, nur dieses Mal wird es ernsthaft gefährlich für den Gasteig: Es muss dringend saniert werden, aber das droht teuer zu werden, darum denkt man im Stadtrat immer lauter über einen Abriss nach – entweder der Philharmonie oder sogar des ganzen Ensembles. Doch so würde die Stadt München ein brummendes kulturelles Zentrum und eine ihrer wenigen Landmarken der Nachkriegsmoderne verlieren. (ps, 27.4.16)

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