„Ein besonderes Haus, eine Stätte freien und unerschrockenen Menschentums“, mit diesen Worten soll der oberste Gewerkschaftler Ludwig Rosenberg das Berliner DGB-Haus eröffnet haben. Am 5. Mai 1964 wurde der damals 6 Millionen DM teure Bau im Stadtteil Schöneberg an der Ecke Kleist- und Keithstraße feierlich an seine neuen Nutzer übergeben. Eigentlich hatte die Düsseldorfer Zentrale des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) den Wunsch der Berliner nach einem eigenen Verwaltungsgebäude schon abgelehnt. Doch in den frühen 1960er Jahren wuchs dem Plan mit dem Mauerbau eine politische Dimension zu. Nun entschied man sich mit voller Emphase dafür, dem Kommunismus in Berlin ein „Bollwerk“ des freien Gewerkschaftlertums direkt vor Augen (bzw. die Nase) zu stellen.
Neun Geschosse Aluminiumfassade
Das Hamburger Architekturbüros Wunsch & Mollenhauer hatte den neungeschossigen Stahlskelettbau von 1962 bis 1964 mit einer hochmodernen Aluminium-Vorhangfassade versehen. Besonders die drei „Eck-Balkone“ markierten das neue Gewerkschaftshaus stolz zur Ecke Kleiststraße/An der Urania. Noch dazu erhielt der Bau einen aufgeständerten zweigeschossigen Nebentrakt und ein eingeschossiges „Jugendzentrum“. Wohl in den 1980er Jahren wurde das Äußere stark verändert, womit die Fassade viel von ihrer modernen Klarheit einbüßte. So findet sich der DGB-Bau auch nicht auf der Denkmalliste der Stadt.
Eine gute Investition?
Doch leid tut es einem schon, wenn man vom bevorstehenden Abriss des DGB-Hauses hört. Stattdessen erhielt das Büro Ortner & Ortner nach einem Wettbewerb den Zuschlag, unweit des Wittenberger Platzes einen neuen Gewerkschaftssitz zu errichten. Dieser soll ab „den frühen 2020er Jahren“ als Zentrale nicht allein die berlin-brandenburgischen Mitarbeiter, sondern auch die bundesweit zuständige Belegschaft aufnehmen. Die sind aktuell noch am Hackeschen Markt untergebracht – der Neubau soll Miete sparen und zugleich im boomenden Berlin eine gute Kapitalanlage bieten. So zumindest die Argumentation für den Neubau, der zwischen 60 und 80 Millionen Euro kosten soll. Der Abriss der dann ehemaligen DGB-Zentrale wird für 2018 angekündigt. Die dort bislang untergebrachten Gewerkschaftler sollen vorübergehend in ein Ausweichquartier ziehen.
Dass es auch anders geht …
Dass es auch anders geht, zeigt der Umgang mit einem anderen Werk aus dem Büro Wunsch & Mollenhauer: In Düsseldorf wurde das 1968 eingeweihte Hans-Böckler-Haus unter Denkmalschutz gestellt. Von 2011 bis 2012 sanierte man die stilvollen Gewerkschaftsscheiben „im laufenden Betrieb“ – mit viele Rücksicht auf die prägende moderne Fassade. In Berlin geht man einen anderen Weg. Und dass an der Berliner Kreuzung Kleiststraße/Martin-Luther-Straße/Tauentzienstraße/An der Urania/Lietzenburger Straße nach den 1999 veröffentlichten Planungen mit weiteren Eingriffen in den Nachkriegsbestand zu rechnen ist, lässt städtebaulich nicht unbedingt hoffen. (kb, 13.7.17)
Literatur und Quellen
Der DGB in Düsseldorf, in: Bauwelt 1964, 24, S. 677.
In Berlin Schöneberg …, in: Die Quelle 15, 1964, 6, S. 276.
Weber, Klaus K. u. a. (Bearb.), Berlin und seine Bauten. Teil IX. Industriebauten Bürohäuser, Berlin u. a. 1971, S. 212.
Reif für den Abriss. Der Deutsche Gewerkschaftsbund trennt sich von seinem Berliner Sitz und baut neu. Das Gebäude in Schöneberg soll in ein paar Jahren bezugsfertig sein, in: Der Tagesspiegel 22. Mai 2017.
Frese, Alfons, Neues Haus für den DGB. An der Stelle des Berliner Domizils in der Nähe des KaDeWe entsteht die Bundeszentrale, in: Der Tagesspiegel 5. Juli 2017.