„Tor in Bonn!“ – diesen Satz hört man in der Sportschau nur sehr selten. 2017 ertönte er nach langer Zeit aber einmal wieder: Die Konferenz zum Finaltag der Amateure schaltete sich in das Fußballstadion im Norden der Stadt, wo der Regionalligist Bonner SC gerade das 1:0 gegen den haushohen Favoriten Fortuna Köln geschossen hatte. Der Underdog schaffte es, die Führung über die Zeit zu bringen und steht damit in der ersten Runde des DFB-Pokals – zum ersten Mal seit 40 Jahren. Neben dem ambitionierten Fußballverein steht damit demnächst auch ein außergewöhnliches Stadion im Fokus der Sportwelt: Der Bonner Sportpark Nord.

Stadion zur Stadtaufwertung

Der Baubeginn des Sportkomplexes jährt sich in diesem Jahr zum 50. Mal. 1965 hatte die damalige Bundeshauptstadt das alte, nahe dem Regierungsviertel gelegene Gronaustadion an den Bund verkauft, heute steht an dieser Stelle der Post Tower. Bonn investierte das Geld in die Aufwertung seiner nördlichen Stadtteile. Neben einem neuen Wohnviertel sollte hier eine moderne Sport- und Freizeitanlage entstehen: der Sportpark Nord. Den entsprechenden Wettbewerb gewannen der Gartenarchitekt Wolfgang Darius und Ernst van Dorp, dessen Bauten Bonn bis heute prägen. Van Dorp plante unter anderem das ZDF-Hauptstadtstudio,die Niederländische Botschaft und war maßgeblich an der Gestaltung der Rheinauen zur Bundesgartenschau 1979 beteiligt. 1967 begannen die Bauarbeiten im Bonner Norden.

Beton trifft Botanik

Der 160 000 Quadratmeter große Sportkomplex wird durch die Autobahn 565 in zwei Teile zerschnitten. Auf der nördlichen Seite finden sich mehrere Ascheplätze und eine Bogenschießanlage. Die Verbindung stellt eine geschwungene Betonbrücke sicher, die die Autobahn in hohem Bogen überspannt. Als Bauland für das Stadion diente eine ehemalige Müllkippe in Süden des Areals. Van Dorp nutzte den nach der Auskiesung entstandenen Trichter, um ein ovales Mehrzweckstadion mit Fußballfeld anzulegen. Dabei verband er gekonnt Beton und Botanik: auf den Langseiten schmiegen sich die Zuschauerränge an den Hügel, Nord- und Südkurve sind unbebaut und durch dichte Hecken begrünt. Die Haupttribüne wird von einem scheinbar schwerelosen, weit überkragenden Betondach vor Regen geschützt, die Gegengerade bilden unüberdachte Stehblöcke. Im Süden blickt ein geschwungener Betonbau mit Terrasse in den Stadiontrichter. Das hier beheimatete Sporthallenzentrum bietet Platz für sämtliche olympische Hallensportarten und verfügt im Tiefgeschoss über ein Schwimmbad mit 50-Meter Becken.

Bonner Ambitionen

Der Bonner SC bezog die neue Spielstätte im Jahr 1970. Der Verein war fünf Jahre zuvor aus der Fusion der Traditionsclubs Bonner FV und Tura Bonn entstanden und sollte das neue Selbstbewusstsein der jungen Hauptstadt auch in den Profifußball tragen. Tatsächlich besiegten die Bonner 1967 den FC Bayern München mit 3:1, 1977 spielten sie sogar für eine Saison in der Zweiten Bundesliga und im DFB-Pokal. Der Höhenflug währte jedoch kurz, es folgten wirtschaftliche Probleme, Zwangsabstiege und die Insolvenz 2010. In den letzten Jahren ging es jedoch wieder aufwärts beim BSC, die Mannschaft stieg nach dem Neuanfang in der 7. Liga mehrfach auf, Höhepunkt der jüngeren Vereinsgeschichte ist die aktuelle Qualifikation für den DFB-Pokal. Auch das Stadion spiegelt diesen Aufwärtstrend wider. 2011/12 wurde es saniert und mit Anzeigetafel und Flutlichtanlage ausgestattet. Die vier charakteristisch geneigten Masten nehmen die Trichterform auf und überragen das Stadion wie überdimensionale Schreibtischlampen. Für den Entwurf zeichnete Jan van Dorp, der Sohn des Stadionarchitekten, verantwortlich. Wer den Bau in Gebrauch erleben möchte, dem bietet sich am 13. August eine gute Gelegenheit: zur ersten Runde des DFB-Pokals kommt Hannover 96 in den Sportpark Nord. Wer es nicht in die Bundesstadt schafft, kann zumindest auf den seltenen Torruf in der Fernsehkonferenz und eine Schalte in den Sportpark hoffen. (jr, 18.7.17)

Bonn, Sportpark Nord, die Terrasse des Sporthallenzentrums mit Blick ins Stadion (Bild: Eckhard Henkel, CC BY SA 3.0)

Titelmotiv: Blick in den Sportpark Nord von der Terrasse des Sporthallenzentrums (Bild: Eckhard Henkel, CC BY SA 3.0)

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