ein Text von Philipp Stoltz mit Bildern von Marco Kany
Gibt es ein Happy End für die Sendehalle in Felsberg? (Bild: Marco Kany)
Als dieses Bild von Marco Kany in die mR-Redaktion flatterte, war es schon um uns geschehen: Diese bestechend futuristische Sendehalle im saarländischen Felsberg ist nicht nur eine echte europäische Schönheit, sondern hat auch eine dramatische Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Zeit der nationalsozialistischen Propaganda hatte man sich sowohl in Frankreich als auch in Deutschland dafür entschieden, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten aufzubauen. In dieser streng beaufsichtigten Medienlandschaft gab es keinen Platz für private Sender. Außer in den kleinen unabhängigen Nachbarstaaten wie Luxemburg oder Monaco, wo schnell Rundfunkgesellschaften entstanden, die über ihr eigenes Terrain hinaus sendeten und damit den Staatssendern Konkurrenz machten. Auch im quasi-autonomen Saarland entstand eine Mischform: eine private Rundfunkgesellschaft mit staatlicher Konzession, die weit über die Grenzen des Saarlands hinaus senden konnte. Und der hatte ambitionierte Pläne: Ganz selbstbewusst nannte er sich „Radio Europe No. 1“.
Sie sollte die Größte ihrer Art werden
Selbstbewusst und avantgardistisch sollte darum auch die Sendehalle eine der größten Hallen ihrer Zeit werden, für den jungen Sender war sie überdimensioniert. Errichtet wurde sie mitten im saarländischen Niemandsland, auf einer Wiese nahe der Ortschaft Felsberg, nur 750m von der französischen Grenze. Inspiriert vom lokalen Muschelkalkboden planten die Architekten Jean-François Guédy und Bernard Laffaille eine gigantische Halle mit freitragendem Hängedach in Form einer geöffneten Jakobsmuschel. Seine Vorbilder waren dabei die Sportarena von Raleigh und die Schwarzwaldhalle in Karlsruhe, die sie noch weiter übertreffen wollten: Das dünne Hängedach in Form eines hyperbolischen Paraboloids sollte auf nur drei Punkten aufgelagert werden und hatte nur eine Symmetrieachse – ein für damalige Verhältnisse ambitioniertes und gewagtes Vorhaben.
Der “Vater des Spannbetons” musste übernehmen
Tatsächlich hatten sich die beiden wohl übernommen: Der Grundstein war im Juni 1954 gelegt worden und der Bau bereits angelaufen, als neue statische Berechnungen schwerwiegende Probleme aufzeigten. Und noch vor der Ausschalung des Dachs verformten sich die Ringanker und die Decke riss ein. Das Desaster endete für beide Architekten tragisch: Bernard Laffaille verstarb völlig unerwartet im Juni 1955, im selben Jahr nahm sich Jean-François Guédy das Leben. Eugène Freyssinet – kein Geringerer als der Vater des Spannbetons – übernahm das Projekt. Er überarbeitete die Planung vollständig, verstärkte die Konstruktion und führte den Bau 1955 erfolgreich zu Ende.
Gibt es ein Happy End?
In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Die Denkmalpflege“ haben Axel Böcker und Rupert Schreiber die faszinierende Geschichte sachkundig gewürdigt: “Die großartige Sendehalle Europe 1 von 1954/55 in Berus auf dem Saargau zeigt die Verquickung von damals modernster Radiotechnik und avantgardistischer Architektur, die den Wegfall der ursprünglichen Funktion zu einem komplexen denkmalpflegerischen Abenteuer werden lässt.” Denn mit dem Auszug von EUROPE 1 stellt sich die Frage: Wie lässt sich für eine solche Immobilie mitten im saarländischen Grenzland eine angemessene Nachnutzung finden? Doch es gibt Hoffnung. Wie mR vom Fotografen Marco Kany erfahren hat, wurde die Immobilie inzwischen von der Gemeinde Felsberg erworben. Die weitere Nutzung ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt unklar. (ps, 4.7.16)