Das Haus Albrecher-Leskoschek (Herbert Eichholzer, 1938) in Graz (Bild: Sammlung Heimo Halbrainer, Nachlass Max v. Wikullil, Graz)

Das Haus Albrecher-Leskoschek in Graz (Bild: Sammlung Heimo Halbrainer, Nachlass Max v. Wikullil, Graz)

In Graz geht es es dieser Tage einem Juwel der klassischen Moderne an den Kragen. Das von Herbert Eichholzer 1937/38 errichtete Haus Albrecher-Leskoschek ist ein außergewöhnliches Zeugnis der österreichischen Moderne. Das Wohnhaus entstand im austrofaschistischen Ständestaat am Vorabend des „Anschlusses“ an das nationalsozialistische Deutsche Reich und präsentierte sich als ein letztes Gesamtkunstwerk des Neuen Bauens. Eichholzer zeichnete auch für die Einrichtung der Villa verantwortlich und entschied sich für ein undogmatisch-modernes Interieur. Komplettiert wurde es durch ein monumentales Wandgemälde des Malers Axl Leskoschek. Obwohl die Villa eindeutig Denkmalwert besitzt, gibt es wohl keine Chance auf Rettung. Diverse Um- und Anbauten der Nachkriegszeit lassen Eichholzers Entwurf nur noch erahnen, das Wandgemälde ist von mehreren Schichten Farbe und Tapete verdeckt. Ein kleiner Trost ist ein jüngst erschienener Sammelband, der Konzeption, Geschichte und Aneignung des Hauses detailgenau rekonstruiert.

Im Stil des Neuen Bauens

Die Quellenlage ist dafür äußerst günstig. So ist das Haus Albrecher-Leskoschek das am besten dokumentierte Projekt des Grazer Architekten Herbert Eichholzer. Zahlreiche Pläne und Skizzen erzählen vom Entstehungsprozess. Eine Bilderserie, die kurze Zeit nach Abschluss der Bauarbeiten entstand, gibt Aufschluss über Eichholzers Gestaltungskonzept. Der Architekt plante das Haus im Auftrag seiner Bauherrin Herma Albrecher – finanziert durch ihren Freund Albert Kastner – als großbürgerliche Villa im Stil des Neuen Bauens. Antje Senarclens de Grancy macht in ihrem Aufsatz zu Recht Parallelen zu den ungleich berühmteren Villenbauten Haus Tugendhat von Mies van der Rohe oder Villa Savoye von Le Corbusier aus.

Schwebende Kuben

Eichholzers weiß verputzter, aufgeständerter Bau wirkt geradezu schwerelos. Er setzt sich aus zwei übereinander liegenden kubischen Baukörpern zusammen, die durch eine Terrasse und ein umlaufendes Vordach horizontal zerschnitten werden. Dessen schlanke Stützen betonen die Leichtigkeit des Baus ebenso wie das feinmaschige Terrassengitter. Die umlaufende Terrasse erinnert an eine Schiffspromenade und greift das bei den Architekten des Neuen Bauens so beliebte Dampfermotiv auf. Die Aufständerung des Hauses stellte keine architektonische Extravaganz dar, sondern war vielmehr in der Beschaffenheit des Bodens begründet.

Behagliche Moderne

Bei der Inneneinrichtung orientierte sich Eichholzer an der zeittypischen Stahlrohreleganz. Gleichzeitig hielt er es mit seinem Kollegen Josef Frank, der vor einer übertriebenen Dominanz der Maschinenästhetik im privaten Wohnraum warnte und die Entfaltungsfreiheit der Bewohner als wichtigen Faktor für die Raumgestaltung hervorhob. Ein entscheidendes Element der Raumgestaltung lieferte der mit Eichholzer befreundete Maler Axl Leskoschek, der 1937 die Bauherrin heiratete. Für das zentrale Speisezimmer schuf er 1937/38 das Wandgemälde „Allegorie der Freude“. Der Künstler verarbeitete in dem Bild, das fast die gesamte Wandbreite von 6,35 Meter ausfüllte, antike Stoffe aus Homers Odyssee, biblische Mythen und – bildsprachlich verschlüsselt – zeitgenössische politische Geschehnisse wie den Abessinienkrieg. Der Band macht dem Leser das heute hinter Farbschichten verborgene Gemälde in einer Umzeichnung von Bettina Paschke und einer eingehenden Analyse der Kunsthistorikerin Eva Klein zugänglich.

Architektur und Widerstand

Herbert Eichholzer (Bild: Sammlung Heimo Halbrainer, Nachlass Max v. Wikullil, Graz)

Der 1943 hingerichtete Architekt Herbert Eichholzer (Bild: Sammlung Heimo Halbrainer, Nachlass Max v. Wikullil, Graz)

Eichholzer und Leskoschek, beide politisch links orientiert, kämpften bis zum Schluss gegen die deutsche Okkupation und flohen nach dem Einmarsch der Wehrmacht gemeinsam ins Exil. Während Leskoschek Europa den Rücken kehrte und nach Südamerika emigrierte, suchte Eichholzer in Paris und Istanbul Anschluss an die Widerstandsgruppen der KPÖ. Gemeinsam mit seiner Architektenkollegin Margarete Schütte-Lihotzky kehrte er 1940 nach Österreich zurück, um den kommunistischen Widerstand im Deutschen Reich zu unterstützen. Das Haus Albrecher-Leskoschek wurde vor diesem Hintergrund zum konspirativen Zentrum: Eichholzer, der mit seiner ehemaligen Aufraggeberin Herma Albrecher nach wie vor befreundet war, ließ die verschlüsselten Nachrichten der Widerstandskämpfer hierher schicken. 1941 erfuhr die Gestapo durch einen Spitzel von den konspirativen Aktivitäten und verhaftete Eichholzer, Schütte-Lihotzky und weitere Widerstandskämpfer. Während die Architektin dem Todesurteil durch ihre Anstellung beim türkischen Staat entgehen konnte, wurde Eichholzer 1943 hingerichtet.

Ein außergewöhnliches Stück Architekturgeschichte

Der Band porträtiert mit dem Haus Albrecher-Leskoschek nicht nur ein außergewöhnliches Stück Grazer Architekturgeschichte, sondern widmet sich auch seinen Bewohnern, Gästen, dem Architekten und dem österreichischen antifaschistischen Widerstand. Er analysiert dabei ausführlich ein bedeutendes Projekt Herbert Eichholzers und setzt sich von der Forschungstendenz ab, den jung verstorbenen Architekten auf seine Zeit im Widerstand zu reduzieren. Wenn die nach 1960 stark umgestaltete Villa demnächst auch dem Erdboden gleichgemacht wird, ist die Erinnerung an dieses Stück Grazer Moderne doch auf jeden Fall gesichert. (jr, 15.8.16)

Halbrainer, Heimo/Klein, Eva/Senarclens de Grancy, Antje, Hilmteichstraße 24. Haus Albrecher-Leskoschek von Herbert Eichholzer. Mit einem Text von Mariella Enajat, Zeichnungen von Bettina Paschke und Fotos von Ramona Winkler, Clio, Graz 2016, ISBN 987-3-902542-25-0.

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