Während sich Sachsen-Anhalt als „Land der Moderne“ auf das Bauhaus-Jubiläum vorbereitet, steht in Magdeburg die Hautklinik (J. Göderitz, 1931) scheinbar kurz vor dem Abriss (Bild: Institute for Building Documentation, iTUBS)
Landauf landab wird über die Nachkriegsmoderne diskutiert, ihre Zukunftsfähigkeit, ihre Reparatur- und Anpassungsfähigkeit an heutige Ansprüche: an das Wohnen, Arbeiten und an ein urbanes Leben. Dabei geraten mitunter Baudenkmale aus dem Blick, die eine Moderne in Deutschland begründeten, die zu den Inkunabeln der hiesigen Architekturgeschichte gehören. Bauwerke, die sich seit langem in denkmalpflegerischer Obhut befinden, aber durch mangelnde Gebäudeeffizienz mancher Zukunftsplanung im Wege stehen – ein fatales Signal angesichts des bevorstehenden Bauhaus-Jubiläums im „Land der Moderne“.
Magdeburg wird zur „Stadt des neuen Bauwillens“
Gerne hätte Oberbürgermeister Hermann Beims 1925 das Bauhaus nach Magdeburg gelotst. Was nicht sein sollte, hat sich hier dann unter Stadtbaurat Johannes Göderitz als „Stadt des neuen Bauwillens“ materialisiert. Der Architekt und Städtebauer wurde von Bruno Taut nach Magdeburg geholt. Im Geist des Neuen Bauens schenkte Göderitz der Industriestadt ein neues architektonisches „Corporate Design“. Viele seiner Bauten fielen dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer, andere verkamen oder wurden beseitigt. Dieses Schicksal droht nun auch einem seiner Hauptwerke in Magdeburg: dem Pavillonbau der ehemaligen Hautklinik (1929-31) auf dem Terrain des Sudenburger Krankenhauses, dem heutigen Universitätsklinikum. Der Stahlbetonskelettbau ordnet drei unterschiedlich gestaltete Baukuben geschickt im rechten Winkel zueinander und schirmt sich durch eine Faltmauer zur vielbefahrenden Leipziger Straße ab.
Magdeburg, Stadthalle (J. Göderitz, 1927) (Bild: Muggmag)
Nach Göderitz darf der Architekt „ein Eindringen in das Problem der heutigen ärztlichen Wissenschaft und Praxis“ nicht scheuen. In Magdeburg brachte der renommierte Dermatologe Ernst Schreiber den Ausbau am heutigen Universitätsstandort in Sudenburg auf den Weg. Sein Nachfolger Carl Lennhoff forcierte in den 1920er Jahren den Neubau der Hautklinik. Wegen seiner jüdischen Herkunft musste der anerkannte Dermatologe 1933 nach Skandinavien fliehen – und ließ einen bestens für die Forschung ausgestatteten Bau zurück. Die neue Hautklinik bildete nicht weniger als einen Schlussstein der ambitionierten Gesundheitsreform Magdeburgs. In der „Roten Stadt im Roten Land“, wie man sich zum sozialdemokratischen Parteitag 1929 feierte, erarbeitete der Politiker Paul Konitzer eine umfassende öffentliche Gesundheitsfürsorge, bevor auch er von den Nationalsozialisten 1933 seines Amtes enthoben wurde.
Ein Abriss träfe die Medizingeschichte ins Mark
Magdeburg gehörte in den 1920er Jahren zweifelsohne zu den ersten zehn deutschen Städten, die sich mit einer eigenen Fachklinik nicht nur um die Behandlung, sondern auch um die Erforschung von Haut- und Geschlechtskrankheiten verdient machten. Noch heute atmet die Architektur diesen Geist in einzigartiger Weise. Die aktuellen Pläne treffen Sachsen-Anhalt, aber auch die Geschichte der Medizin ins Mark, besitzt doch das „Land der Moderne“, wie es zum Bauhaus-Jubiläum nun benannt wird, nur wenige ähnliche Zeugnisse – z. B. auch die ruinierte Klinik für lungenkranke Kinder in Harzgerode (von Godehard Schethelm) und das Kinderkrankenhaus Wippra (ebenso ruinös erhalten). Beide gehen – obwohl als Baudenkmäler gelistet – ebenso grandios einer ungewissen Zukunft entgegen wie nun die Hautklinik in Magdeburg, der „Stadt des neuen Bauwillens“. Der Abriss scheint beschlossene Sache. (O. Gisbertz, 28.8.15)