Die Baugeschichte dieser besonderen Tankstelle in der Regentorstraße in Lemgo beginnt in einem Vorlesungssaal der TH Karlsruhe um 1950. Der Dozent: Egon Eiermann, im Auditorium: Lothar Götz (1925-2018), später Architekt dieser Tankstelle, und Gerhart Becker (1923-1977), später Leiter der Abteilung für Neubauten in der BP-Zentrale in Hamburg. Götz hatte bereits während seines Studiums bei Eiermann einen Tankstellenbau entworfen, dessen flügelförmiges Betondach mit dem in Lemgo 1955/56 umgesetzten eine erstaunliche Ähnlichkeit aufweist. Der Mineralölkonzern war damals auf der Suche nach einer Typentankstelle, die man „als werbendes Element“ flächendeckend erbauen und so „das Gesicht der BP“ überall erkennbar machen konnte. Außerdem sollten mit der einheitlichen Gestaltung die Baukosten gering gehalten werden. Gegen Kritik aus den Führungsetagen der BP („Bahnsteigdach“) verteidigte Becker Götz ́ Entwurf. Die bauliche Ablösung der Zapfsäulenüberdachung vom Tankhaus ist zu jener Zeit ein Novum, gilt aber bis heute weitestgehend formgebend bei Tankstellenbauten. Das Tankstellendach besteht aus einer Stahlbeton-Kragarmkonstruktion. Die Innovation des neuen Bautypus ́ beweisen zahlreiche Publikationen in nationalen und internationalen Bauzeitschriften.

Die Nutzung der Lemgoer Tankstelle endet 1984, durch die weitere Nutzung als Werkstatt und Pflegeservice konnte die Originalsubstanz jedoch weitestgehend erhalten werden, inklusive eines bauzeitlichen Auslegemasts für das BP-Firmenschild. Bewertet wird das Gebäude heute von Spezialist:innen als „wertvolles Beispiel eines selten gewordenen Spannbeton-Schwingendaches“ von dem „bisher noch kein denkmalgeschütztes Objekt“ aufzuspüren war. Dennoch ist die Tankstelle vom Landesverband Westfalen-Lippe (LWL) als nicht schutzwürdig eingestuft worden, obwohl sich die Veränderungen am Bau deutlich in Grenzen halten. Aktuell ist der Bau im Eigentum der Stadt Lemgo. Diese erwägt, das Gebäude abzubrechen, da das Dach angeblich einzustürzen drohe. Zwei unabhängige Gutachter:innenbüros haben das Tankstellendach jedoch aktuell in Augenschein genommen und bescheinigen, dass keine Einsturzgefahr bestehe, sondern das Dach und seine Materialien sogar in einem für das Alter relativ guten Zustand sind. Gleichzeitig wundern sich Spezialist:innen, wie der Tankstellenexperte Joachim Kleinmanns und der Lippische Heimatbund darüber, dass das Dach nicht schon längst unter Denkmalschutz steht. Es gibt im Augenblick sogar einen Interessenten, der die Tankstelle gerne vollumfänglich erhalten und sanieren würde, um sie zu einem Oldtimertreff umzubauen. Besteht also noch Hoffnung für diesen wichtigen Bau der Architektur- wie auch Mobilitätsgeschichte? (pl, 14.1.22)

Lemgo, ehemalige BP-Tankstelle (Bild: Sven-Eric Bierhenke)

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