Noch 2016 konnte moderneREGIONAL dem Architekten Leopold Wiel zum 100. Geburtstag gratulieren. Als Professor an der TH Dresden bildete er bis 1981 Generationen von Architekt:innen aus, sein Lehrbuch “Baukonstruktionen des Wohnungsbaues” – das ostmoderne Gegenstück zum westdeutschen “Neufert” – erfuhr zwölf Neuauflagen und gilt bis heute als Standardwerk. Angefangen hatte Wiel eigentlich in Weimar, zunächst mit dem Studium, dann nach dem Krieg als Architekt und Dozent an der dortigen Hochschule. 1951 folgte der Ruf an die TH Dresden, wo er drei Jahrzehnte lehren sollte. Zum 100. Geburtstag widmete ihm die Stiftung Sächsischer Architekten dann, nicht ohne Augenzwinkern, “Das Buch zum ‘Wiel'” als biografische Annäherung an das reiche Werk des Jubilars, der sich immer wieder gegen eine allzu strikte Normierung der Baukonstruktion und für den Erhalt historischer Bauten in Dresden eingesetzte hatte.

Bis zuletzt hatte er das Baugeschehen in Dresden sehr genau verfolgt. Auf die Pläne zum Umbau des Dresdner Kulturpalastes reagierte er 2012 mit einem offenen Brief an die Oberbürgermeisterin, in dem er sich gegen den Ausbau des Mehrzwecksaals wandte. Immerhin stellt dieser Bau ein zentrales Werk in seiner Laufbahn als Architekt dar. Die SED träumte 1959 von einem Turmhaus, das die Stadt überragen und von der Überlegenheit der sozialistischen Kultur künden sollte.  Wiel entwarf dagegen einen modernen, viergeschossigen Bau mit gläserner Fassade – und fing sich harsche Kritik der Partei ein. Nach der Intervention der Moskauer Architektenschaft revidierte sie jedoch ihre Meinung und schickte den 1. Sekretär der SED-Stadtleitung zu Wiel nach Hause, um sich bei ihm zu entschuldigen und um Unterstützung beim Bau des zentralen Kulturhauses zu bitten. Der Turm war vom Tisch, stattdessen beauftragte man Wolfgang Hänsch mit dem Bau des Kulturpalastes, der sich an den Planungen Wiels orientierte. Nun ist Wiel im hohen Alter von 105 Jahren verstorben. (kb, 5.3.22)

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