Der Tagesordnungspunkt „Begrüßungen“ ist bei Fachtagungen meist ebenso beliebt wie die kaum enden wollende Folge von Grußworten bei einer Kleinstadtvernissage. Alles wurde bereits gesagt, aber es braucht noch eine gefühlte Stunde, bis das dann auch alle getan haben. Nicht so beim Kick-off zur Konferenz „Denkmal Postmoderne“, die gestern in Weimar von der dortigen Bauhaus-Universität und der ETH Zürich hybrid startete. In ihrer Einführung brachte die Architekturhistorikerin Kirsten Angermann (Weimar) ihr Herzens- und Dissertationsthema auf zwei wesentliche Punkte: Als „ernste Postmoderne“ mochte sie diese Ära verstanden wissen, da sie zum einen bezweifelt, dass auch die großen Pomo-Architekt:innen ihre Werke immer so ironisch verstanden, wie sie von anderen gedeutet wurden. Und zum anderen unterfütterte sie damit den Fakt, dass auch die Ostmoderne eine postmoderne Phase zu bieten hatte. Zuletzt formulierte sie das Ziel der von ihr konzipierten Veranstaltung mit der Hoffnung, damit einer möglichen Pomophobie gerade der heutigen Denkmalpfleger:innen-Generation zu begegnen.
Ecopomo
Um einige Schlaglichter aus den ersten Vorträgen herauszugreifen, brach der Arhitekturhistoriker Florian Urban (Mackintosh School of Architetcture, Glasgow School of Art) eine Lanze für „Ecopomo“. Für ihn war eine solche, ökologisch orientierte Postmoderne eben nicht gleichbedeutend mit dem ungehemmten Sieg des Neoliberalismus. Denn gerade in jenen 1980er und 1990er Jahren, mit einem Schwerpunkt in den süddeutschen Regionen, war die Zeit der Siedlungsexperimente angebrochen. Insofern plädierte Urban für einen weiten Postmoderne-Begriff, deren Ausläufer noch bis in die Gegenwart reichen und hier, angesichts einer noch gesteigerten ökologischen Bedrohung, hoffentlich wieder Früchte tragen.
Anders das Projekt, das Carina Kitzenmaier und Matthias Noell (UdK Berlin) vorstellten, das sich nicht auf die Schublade „Postmoderne“ begrenzt wissen will. Beide erarbeiten aktuell eine Publikation über die „Tendenzen der 80er“ in der nach Jahrzehnten gegliederten Veröffentlichungsreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK). Dafür weiten sie ihre vorgegebene Zeitschiene auf die „langen 80er“ zwischen 1975 und 1992 und stellen ihre ausgewählten Objekte in der Tradition einer Blütenlese nach zwei Ordnungsschemata zusammen – einmal nach Themen, einmal nach Gattungen. Am Ende soll sich, ganz in der Tradition der Postmoderne, eine frei durchsuchbare, zu erkundende Baulandschaft dieses Jahrzehnts eröffnen und zu deren individueller Erkundung einladen.
Imitierende Analogien
Zum Abendvortrag überraschte der Züricher Architekt und Hochschullehrer Arthur Rüegg mit einem reflektiert bis selbstkritischen Überblick seines eigenen Schaffens an der Grenze zwischen Schweiz und Bundesrepublik. Und genau hier liegt die große Stärke der noch bis morgen andauernden Tagung, neben dem offensichtlichen Reiz, sich einmal wieder (auch) ganz analog zu einem Thema um eine Tasse Tee und Suppe scharen zu können. Der Blick geht deutlich über den bundesdeutschen Suppenteller hinaus – zur Schweiz, zu den späten Spielarten der Ostmoderne, zu den ehemaligen GUS-Staaten, an den Rändern bis nach Italien, Japan und in die USA. Mit einer Mischung aus Schmerz und Trotz stellte auch der eigentlich aus der Ukraine eingeladene Referent Oleksandr Anisimov seinen Blick auf die postmoderne Seite der sowjetischen Städte der UdSSR vor – online und nicht ohne Verweis auf die aktuell laufende Zerstörung eben jener Architekturschicht, noch ehe sie von der Forschung wirklich wahrgenommen worden sei. Denn, was auch im weiteren Tagungsverlauf blieb, und wohl bleiben wird, ist der alte Streit, was die Postmoderne eigentlich sei. Eine Haltung oder ein Stil, eine Epoche oder eine die (Architektur-)Geschichte durchziehende Grundhaltung. (kb, 4.3.22)
moderneREGIONAL begleitet die Tagung als Medienpartner.