Kazuo Shinohara (1925 – 2006) gilt neben Kenzo Tange als bedeutendster japanischer Architekt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. International ist er dabei gar nicht so bekannt. Ein Frühwerk aus Shinoharas sogenanntem Ersten Stil, das 1961 in Tokio errichtete Umbrella House, wurde nun auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein wiederaufgebaut. Das auf einer quadratischen Grundfläche basierende, 55 Quadratmeter große Holzhaus bot unter seinem namensgebenden Dach – dem «Schirm» – Platz für eine kleine Familie. Shinohara bediente sich beim Entwurf des Hauses bei traditioneller japanischer vernakulärer Wohn- und Tempelarchitektur und wendete verschiedene Motive erstmalig im Wohnungsbau an. So war die beim Umbrella House verwendete pyramidenförmige Dachform bis dahin nur in Tempelanlagen zu finden. Die Fassade ist in einem Materialmix aus japanischen Hölzern und weißen Eternitplatten gefertigt.

An seinem ursprünglichen Standort war das Gebäude zugunsten eines Straßenausbaus zum Abriss freigegeben. Es wurde schließlich so behutsam wie möglich abgebaut und in Einzelteilen per Container nach Deutschland transportiert. Kazuo Shinohara gestaltete auch die Inneneinrichtung, deren originale Reste ebenfalls verschifft wurden. Die Holzständerbauweise kam der Translozierung entgegen, und das Gerüst aus japanischer Zeder, japanischer Kiefer und Douglasie wurde ab September 2021 auf dem Vitra Campus wieder aufgebaut. Das in enger Abstimmung mit dem Tokyo Institute of Technology durchgeführte Projekt konnte im Sommer 2022 abgeschlossen werden. Nun steht einer der Urväter der hipsterigen „Tiny Houses“ in bester Nachbarschaft unter anderem zur 2003 ebenfalls wiedererrichteten Tankstelle von Jean Prouvé (1953) und zu Zaha Hadids Vitra-Feuerwache, die freilich nicht transloziert, sondern 1990-93 für die damalige Werksfeuerwehr errichtet wurde. (db, 26.11.22)

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