Zugegeben, er war kein Baumeister. Auch das Entwerfen von Alltagsgegenständen gehörte schon mit Mitte 20 nicht mehr zu seinen Aufgaben. Dennoch hat der 1938 geborene Marcello Gandini das europäische Design der Spät- und Postmoderne genauso beeinflusst wie ein Stadtplaner. Denn er hat Autos entworfen. Und zwar nicht nur Supersportler und Zukunftsstudien, sondern auch hunderttausendfach gebaute Großserienmodelle, die bis in die 2000er Jahre zum alltäglichen Straßenbild gehörten. Unter ihnen Innocenti Mini, Fiat 132, Citroën BX, Audi 50/VW Polo und der Renault 5 „Supercinq“, die 1984 vorgestellte zweite Modellserie des französischen Bestsellers.
Die Karriere des Turiners begann am 1. November 1965, als er beim Karosseriebaustudio Bertone den abwanderungswilligen Giorgetto Giugiaro (*1938) ersetzt – der später den VW Golf entwarf. Schon Marcello Gandinis erstes Projekt sollte für die Ewigkeit sein: der epochale Lamborghini Miura. Der war mit seinem bis zu 385 PS starken Zwöfzylinder-Mittelmotor samt entsprechendem Klanggewitter ziemlich testosterongeladen. Doch Gandini versah ihn mit einer Karosserie, die diese technische Urgewalt zwar andeutete, aber nicht aggressiv herausposaunte: Das Ding war einfach schön! Es folgten weitere Sportler wie Alfa Romeo Montreal, Lancia Stratos und Lamborghini Countach. Die Formensprache des Maestros geriet dabei kunstvoll eckiger, 1980 schied er bei Bertone aus und gründete sein eigenes Büro. Noch im Januar hat ihm das Polytechnikum Turin die Ehrendoktorwürde in Maschinenbau verliehen, am 13. März 2024 ist der Auto-Architekt Marcello Gandini nun im Alter von 85 Jahren in Rivoli nahe Turin gestorben. (db, 16.3.24)