von Maximilian Kraemer

Wer sich in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren in Südwestdeutschland endlich eigene vier Wände wünschte, stieß mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Angebote der Süba. Das Unternehmen, das bis zu seiner Auflösung einmal mehrere tausend Mitarbeiter:innen beschäftigt haben soll, prägte so manchen Ort mit typisierten Häusern: Massenware von der Stange, so könnte man es wenig schmeichelhaft beschreiben. Doch es lohnt, den architektonischen Spuren dieses großen Unterfangens zu folgen, für möglichst vielen Menschen ebenso guten wie günstigen Wohnraum zu schaffen.

Leimen, Süba-Siedlung, Bergmann-Weidemaier-Straße 2 (Bild: Maximilian Kraemer, 2023)

Leimen, Süba-Siedlung, Im Hirschmorgen (Bild: Maximilian Kraemer, 2023)

Das Süba-Erfolgsrezept

Am Rand eines großen Industriegebiets, gleich hinter dem Einkaufszentrum, stehen eingeschossige Hallen. Es sind gänzlich unspektakuläre Gebäude, in denen auch ein Metallbaubetrieb, ein Autohaus oder der Werksverkauf für Matratzen untergebracht sein könnten. Gliedernd wirken die Fensterbänder unter einem auskragenden Vordach aus weiß und blau gestrichenem Strukturbeton mit abstraktem Relief. Meist ist dieser Strukturbeton an Balkonen zu sehen, seltener an einer Attika oder an einem Vordach. Zur (freundlich gesagt) Kleinteiligkeit dieser Oberflächen kommen zeittypisch kräftige Farben: Ockergelb, Schokoladenbraun oder Moosgrün.

In jenen Jahren erreichte auch die bundesrepublikanische Bauwirtschaft den Höhepunkt ihrer Produktivität. Trotz einer ersten Rezession gab es in fast jedem Ort ein Neubaugebiet. Obwohl kritische Stimmen bereits anmahnten, den Flächenverbrauch einzudämmen, war das Einfamilienhaus in den Vorstädten ungemein beliebt. In dieser Zeit gründete Hans Schlampp in Hockenheim das Bauunternehmen Süba, spezialisiert auf schlüsselfertige Wohnhäuser im Rhein-Neckar-Raum. Im eingangs erwähnten Industriegebiet Talhaus in Hockenheim entstanden nach und nach Büros, Produktions- und Lagerflächen. Bald gab es auch ein eigenes Betonwerk, das Fertigteile für die Süba-Häuser bereitstellte.

Die Typisierung ermöglichte es dem Unternehmen, schneller zu planen und zu bauen. Türdrücker mit der serifenlosen Majuskel S wurden zum Markenzeichen. Das Unternehmen prosperierte – zum kaum durchschaubaren Konglomerat unzähliger Tochterfirmen. In der Hockenheimer Innenstadt wurden diverse Büros angemietet. Selbst einen eigenen Baumarkt ließ man auf dem ausgedehnten Firmenareal einrichten, sodass Hausbesitzer:innen nach Kauf oder bei Renovierungen alles aus einer Hand erhielten. Auch der Aktionsradius wuchs – von der Bergstraße im Norden bis in den Großraum Stuttgart im Süden, von Speyer im Westen bis nach Heilbronn im Osten. Zeitzeug:innen berichten von rauschenden Firmenfesten mit unzähligen Gästen, samt dem Auftritt des Schlagerstars Robert Blanco für die gute Stimmung.

Sandhausen, Süba-Reihenhäuser (Bild: Maximilian Kraemer, 2023)

Sandhausen, Süba-Reihenhäuser (Bild: Maximilian Kraemer, 2023)

Das Süba-Haus

So etwas wie der Süba-Prototyp ist das zweigeschossige Reihenhaus – teils mit Flachdach, häufiger mit Satteldach. Es ist etwa sechs Meter breit und trägt zumeist ein Vordach über dem Eingang. Zum Garten orientiert, springen zwei Wandscheiben aus Betonfertigteilen hervor, zwischen die ein Balkon eingefügt wird. Anfangs ausschließlich mit einer Brüstung aus Beton ausgestattet, zeittypisch gerne als Blumentrog gestaltete, griff man hier Ende der 1980er Jahre häufiger auf Holz zurück. Mit wenigen Variationen wurde aus diesem Typus ein Doppelhaus. Mehrfamilien- und Hochhäuser zählten ebenso zur „Produktpalette“: von einigen wenigen Wohnungen im freistehenden zweigeschossigen Haus mit Satteldach bis zu Großprojekten, die heutiger Investor:innenarchitektur mehrgeschossiger Kuben mit Flachdach und Penthousewohnungen ähneln.

Mannheim, Haus am Werderplatz 3/4, ehemaliges Ausgleichsamt (Bild: Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, Foto: Melanie Mertens)

Mannheim, Haus am Werderplatz, ehemaliges Ausgleichsamt (Bild: Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, Foto: Melanie Mertens)

Mit Mittelrisalit

Doch längst war sichtbarer Beton mehr und mehr Ausdruck einzelner Rebellen wie Tadao Ando, in den (vor-)städtischen Neubaugebieten zog dagegen die Postmoderne ein. Auch die Süba verpasste ihren Satteldach-Reihen- und Mehrfamilienhäusern vermehrt Gaubenvariationen. Betonfertigteile wurden farbig beschichtet, brutalistische Betonbalkone wandelten sich in ländliche Holzloggien. In den Grundrissen und Umrissen dominierte nun der 45-Grad-Winkel. Eines der anspruchsvolleren Projekte bildete zweifellos eine Blockrandbebauung am Werderplatz in der Mannheimer Oststadt. In diesem gründerzeitlichen Stadtviertel war auf dem Areal des zerstörten ehemaligen Ausgleichsamts – unter Einbezug des historischen Mittelrisalits – ein Mehrfamilienhaus neu errichtet worden. Die zum Platz orientierte Fassade zeigt einen für die Süba ungewöhnlichen Detailreichtum. Vor- und Rücksprünge sowie halbrunde Balkone gliedern das sechsgeschossige Eckgebäude. Mit einer rustizierten Sockelzone aus rot eingefärbten Betonwerksteinen passt sich das Gebäude in den Straßenzug ein. Profilierte Betongesimse und Fensterumrahmungen setzen die Zierformen des historischen Mittelrisalits vereinfacht in den neuen Seitenflügeln fort. Bodentiefe Fenster wollen bei den Proportionen der Fassade an die altehrwürdige Umgebung anknüpfen. Gekehlte Traufgesimse, Walmdach und Tonnengauben komplettieren die historisierende Fassade.

In den späten 1980er Jahren kamen Vorwürfe auf, es seien Erbpachtgrundstücken unlauter an die Süba vergeben worden. Das Lokalfernsehen RNF berichtete im Dezember 1986 von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mannheim, Abteilung Wirtschaftsstrafsachen. 1988 wurde sogar der Firmeninhaber verhaftet, sein Unternehmen jedoch blieb bestehen und feierte 1992 feierte das 25. Gründungsjubiläum. Im selben Jahr übernahm man auch ein Bauunternehmen in der Lausitz, seit 1996 firmierte man als Süba BAU Aktiengesellschaft mit Sitz in Mannheim. Nachdem es mit der Wiedervereinigung zunächst zu einem Bauboom in den östlichen Bundesländern gekommen war, schrumpften die Auftragszahlen gegen Ende des Jahrzehnts fast allerorts. Der sektorenübergreifende Abschwung hatte auch die Automobilbranche getroffen, wo zuerst Opel und später Volkswagen von dem spanischen Ingenieur und Manager José Ignacio López de Arriortúa profitabler gemacht wurden. Diesen Herrn López engagierte man 1998 bei der Süba. Gegen die Insolvenz, die 2002 schließlich folgte, konnte er jedoch nicht mehr helfen. Zu diesem Zeitpunkt sollen über 100 Gesellschaften zur Süba gezählt haben.

Hockenheim-Talhaus, Süba-Türdrücker (Bild: Maximilian Kraemer, 2023)

Türklinke eines Mehrfamilienhauses in Mannheim-Seckenheim (Bild: Maximilian Kraemer, 2023)

Die Süba-Aneignung

Fährt man heute durch Mannheimer Quartiere der 1970er bis 1990er Jahre sind die Bauten des Unternehmens an (fast) jeder Ecke zu finden. Ob in Käfertal, Neckarau, Neuhermsheim, Rheinau, Seckenheim oder Wallstadt – überall entdeckt man Türdrücker mit dem breiten S. Von der ursprünglichen bunten Farbigkeit mussten sich die meisten Häuser inzwischen verabschieden. Balkonbrüstungen aus Strukturbeton wichen Glas-Aluminium-Elementen, Holz wurde gegen gelochtes Stahlblech ausgetauscht. Statt ockergelbem Putz mit schokoladenbraunen akzentuierten Betonteilen tragen viele Häuser nun einheitliche Anstriche in Weiß oder Grau. Anstelle von Holzfenstern sitzen mal weiße Holzfenster mit aufgeklebten Sprossen, mal graue Kunststofffenster in den Laibungen. Mehr oder weniger liebevolle Individualisierungsversuche bezeugen auch die in Baden-Württemberg seit 2020 zwar verbotenen, allerdings weit verbreiteten Schottergärten.

Die Eigentümer:innen haben nach Belieben modernisiert, schließlich sind es nach einem Generationswechsel oft nicht mehr die ersten Bewohner:innen. Damit können viele der Reihenhaussiedlungen heute den bauzeitlichen Entwurfsgedanken nicht mehr bezeugen, dafür umso mehr die Ideen der Besitzer:innen und das Warenangebot der Baumärkte. Das kann man als bedauerliche fortschreitende Verschandelung betrachten – oder als niedrigschwellige (wenn auch nicht immer geschmackvolle) Aneignung von Architektur. (2.2.24)

Leimen, Süba-Siedlung, Bürgermeister-Weidemaier-Straße 27 und 29 (Bild: Maximilian Kraemer, 2023)

Literatur und Quellen

Stahl zu Beton, in: Econo, 2011, 3, 6. Mai 2011, S. 73–74.

Ex-Chef der Süba sollte entführt werden, in: Stuttgarter Nachrichten, 23. März 2010.

Leimen, Süba-Großwohnsiedlung, Senefelder Straße (Bild: Maximilian Kraemer, 2023)

Leimen, Süba-Großwohnsiedlung, Senefelder Straße (Bild: Maximilian Kraemer, 2023)

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