Es ist unser erster – Offener Brief. Aber bei diesem Anlass mussten wir einfach: Am 11. November 2015 haben ICOMOS Deutsches Nationalkomitee Bund Heimat und Umwelt in Deutschland den folgenden Offenen Brief an Olaf Scholz, Erster Bürger der Freien und Hansestadt Hamburg, gesendet, dem wir uns hiermit gerne und mit großer Überzeugung anschließen. (db, kb, jr, 11.11.15)

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,

mit großer Sorge haben wir die unerwartete Nachricht aus der Freien und Hansestadt erhalten, dass nunmehr die Finanzbehörde dem Senat vorschlagen will, die Bürgerschaft darüber entscheiden zu lassen, dass das Grundstück einem Bewerber anhand gegeben wird, der den Abbruch des Baudenkmals und eine Neubebauung des Grundstücks projektiert. Wir halten diese jüngste Entwicklung um die Zukunft dieser landeseigenen Denkmalimmobilie nicht nur aus konservatorischer Sicht für kontraproduktiv, sondern auch im Verfahren und im Ergebnis dem Ansehen der jungen Welterbestadt Hamburg für abträglich. Wir möchten Sie und den Hamburger Senat dringend bitten, diese Vorentscheidung der Hamburger Finanzbehörde grundsätzlich zu überdenken und eine offene wie öffentliche Diskussion um die Zukunft des Baudenkmals zu ermöglichen.

Vor dem Hintergrund der fachlich verschiedentlich bestätigten Denkmaleigenschaft des Bauwerks und seiner prominenten Lage in der Pufferzone des im Juni 2015 als Welterbe eingetragenen Kontorhausviertels steht die nunmehr publik gewordene Abrissabsicht im eklatanten Widerspruch zu der Vorbildrolle der Freien und Hansestadt Hamburg als Denkmaleigentümer und zu der Selbstverpflichtung, im Welterbekontext behutsam mit der Erhaltung und Entwicklung des kulturellen Erbes umzugehen. Mit der offensichtlich beabsichtigten oder wenigstens akzeptierten Eliminierung eines über Hamburg hinaus bedeutenden Großstadtdenkmals der Nachkriegs- und Wiederaufbauzeit würde die Finanzbehörde einreißen, was die Kulturbehörde kürzlich mit ihrem erfolgreichen Welterbantrag für die Speicherstadt und das Kontorhausviertel aufgebaut hat. Der Freien und Hansestadt droht ein erheblicher Glaubwürdigkeitsverlust in das Bekenntnis zu Denkmalschutz und Denkmalpflege.

Auch passen die geplante Vernichtung einer innerstädtischen Großanlage, zu deren Errichtung ein erheblicher Energieaufwand erforderlich war, und ein ebenfalls Energie verschlingender Ersatzbau kaum mehr in die heutige Zeit mit ihrer Forderung nach einer bestandsorientierten und ressourcenschonenden Stadtentwicklung. Die diskutierte Schaffung innerstädtischen Wohnraums und dessen Verknüpfung mit anderen urbanen Funktionen ließe sich auch bei Verzicht auf eine Neubaulösung erzielen, ebenso eine kreative ästhetische Aufwertung des denkmalgeschützten Bauwerks und der Außenräume. Dies haben jüngst auch viele Entwürfe aus dem Kreis der Hochschulen (Rudolf-Lodders-Preis 2015 und Accademia di architettura Mendrisio/Universita della Svizzera italiana – Prof. Martin Boesch) nachgewiesen. Hier könnte Hamburg ein zeitgemäßes Zeichen für ein modernes städtebauliches und stadtökonomisches Denken setzen, statt auf die Abrisskarte zu setzen.

Schließlich steht das von den zuständigen Hamburger Behörden gewählte Bewertungs- und Auswahlverfahren in der Kritik der Öffentlichkeit und der Fachwelt aus Architektur und Denkmalpflege. Mit der Verabschiedung eines Transparenzgesetzes hat sich Hamburg an die Spitze der Körperschaften gesetzt, die Bürgerinnen und Bürgern Einblick in das Verwaltungshandeln ermöglichen und Chancen kompetenter Mitwirkung eröffnen wollen. Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, dass Verwaltung und Politik „in eigener Sache“ die hoch gehaltenen Regularien eines transparenten Bieterverfahrens verletzen könnten. Ein Neustart des Verfahrens um das Grundstück am Klosterwall bietet die Möglichkeit, eine bereits in die öffentliche Kritik geratene Verfahrens-und Denkmalkultur zu rehabilitieren. Die Unterzeichner dieses Offenen Briefs appellieren an Sie persönlich und an den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Neuanfang des beschädigten Verfahrens und der Erhaltung und Revitalisierung des City-Hofes eine Chance zu geben.

Mit freundlichen Grüßen

ICOMOS Deutsches Nationalkomitee

Bund Heimat und Umwelt in Deutschland

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