Wenn das historische Rathaus Platz machen muss für eine nach einem Politiker benannte Allee, dann klingt das zunächst vielleicht etwas autoritär. Findet aber genau so gerade in Ludwigshafen statt. Der Politiker ist Helmut Kohl, das Gebäude zwar „nur“ 42 Jahre alt, aber architektonisch keineswegs unbedeutend: Das Rathaus selbst ist ein 72 Meter hohes Scheibenhochhaus, umringt von einem zur Innenstadt hin terrassierten Einkaufszentrum, dem Rathauscenter. Die Kombination kommunaler Nutzungen mit einer Shoppingmall war in den 1960er und 70er Jahren durchaus üblich, in Essen, Berlin und insbesondere Mannheim finden sich weitere Beispiele für diesen (gefährdeten) Typus. Architekt des gesamten Komplexes war der Eiermann-Schüler Ernst van Dorp. Zunächst sollte das Areal, auf dem sich bis 1969 der Ludwigshafener Hauptbahnhof befand, mit drei bis zu 135 Meter hohen Wohntürmen mit dreieckigem Profil bebaut werden. Schließlich wurde es dann nur ein Turm, und nachdem alle anderen potentiellen Nutzer*innen absprangen, zog die Stadt selbst ein. Doch als richtungsweisend galt das Gebäude trotzdem: „Die Weichen für das Ludwigshafen von morgen sind gestellt“ verlautbarte das Ludwigshafener Stadtmagazin „Neue Lu“ einst.
In letzter Zeit wurde das Zukunftssymbol, das zusammen mit anderen Bauten aus der Chemiestadt eine weltgewandte Metropole formen sollte, aber zunehmend in Frage gestellt. Insbesondere seitdem der Abriss der mit dem Rathauscenter unmittelbar verbundenen Hochstraße Nord und der ersatzweise Bau einer ebenerdigen Stadtstraße (Helmut-Kohl-Allee) nebst obligatorisch gewordener Blockrandbebauung beschlossen wurde. Erschwerend kam ein immer größer werdender Leerstand im Einkaufszentrum hinzu, der nicht zuletzt durch die 2010 eröffnete, konkurrierende Rhein-Galerie verursacht wurde. Nach anderen Gebäuden der Ludwigshafener Moderne fällt also nun auch das Rathauscenter, zum Jahreswechsel schlossen Rathaus wie Einkaufszentrum. Dem Stadtbild wird das Ensemble trotzdem noch mehrere Jahre erhalten bleiben. Denn der im Gebäudeinneren bereits gestartete und aufwändige Abriss soll bis Ende 2024 dauern. (fs, 22.1.22)