Zwar haben’s die Briten erfunden, aber die Schweiz macht es ziemlich perfekt: Ferien im Baudenkmal. 2005 gründete der Schweizer Heimatschutz die Stiftung Ferien im Baudenkmal. Schweizweit übernimmt sie von Verfall und Abriss bedrohte Baudenkmäler, restauriert sie und führt sie dann einer neuen Nutzung als Ferienobjekte zu. Derzeit werden über das Portal etwas mehr als 50 Wohneinheiten vermietet, das älteste Objekt ist ca. 700 Jahre alt, das neueste und zugleich jüngste im Angebot der Stiftung stammt aus dem Jahr 1972. Es handelt sich um eine Ferienwohnung im Hochhaus H10 in der Siedlung Fellergut (1971-1975) am Rand der Schweizer Hauptstadt. Ab Ende der 1950er Jahre entstand dort, im ehemaligen Bauerndorf Bümpliz, das damals grösste Wohnbauprojekt der Schweiz. Das H10 wurde als Wohneigentumsprojekt konzipiert: 144 Wohneinheiten mit hohem Wohnkomfort für den Mittelstand waren innerhalb weniger Tage verkauft. Noch heute sind viele Wohnungen im Erstbezug, aber die anfängliche Begeisterung für die Großsiedlung ist auch hier geringer geworden.

Das Hochhaus H10 wurde Anfang der 70er Jahre von den Berner Architekt:innen Hans und Gret Reinhard entworfen. Das Konzept folgt Le Corbusiers «Rue Intérieure»; die seriell hergestellten Bauteile wie Böden, Decken, Wänden und Fassaden aus vorgefertigten Betonelementen wurden direkt auf der Baustelle zusammengefügt. Die Bausubstanz des H10 befindet sich fast vollständig im bauzeitlichen Zustand, ebenso die angebotene Ferienwohnung. Diese wurde nur einmal, im Jahr 2019, saniert und ist heute im Eigentum eines Künstlers, der das Denkmal zu einem doppelten Museum macht: Er mischt Objekte aus den 1970er Jahren mit Objekten, die aus den 1970er Jahren stammen könnten, setzt Gefundenes, Ererbtes, Gekauftes und für die Wohnung Entworfenes zusammen zu einem Kaleidoskop der Entstehungszeit des Hauses. Geschirr von der documenta 5, ein Bausystem, das in der Berliner Akademie der Künste verwendet wurde oder eine Erstausgabe der Studie «Limits of Growth» (Grenzen des Wachstums) des Club of Rome, die 1972 im Baujahr publiziert wurde, sind in der Wohnung zu sehen. Wer übrigens gerne etwas früher im 20. Jahrhundert wohnen möchte, findet in Zürich und Biel Objekte aus der Zeit des Neuen Bauens, wer es rustikaler mag wird, wird ebenso fündig werden wie Eisenbahnromantiker:innen… (pk, 23.5.24)

Hochhaus Fellergut, Hans und Gret Reinhard, 1972 (Bild: Ghormon, CC BY-SA 4.0 DEED, 2020)

Hochhaus Fellergut, Hans und Gret Reinhard, 1972 (Bild: Ghormon, CC BY-SA 4.0 DEED, 2020)

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