In der hessischen Denkmalliste findet sich ein reales Stück Protestarchitektur: die Kirche des einstigen Hüttendorfes gegen die Startbahn West des Frankfurter Flughafens. Nach der Räumung des Protestcamps am 2. November 1981 fand sie (nach Zwischenstationen auf den evangelischen Kirchentagen 1983 und 1985) 1986 ihren endgültigen Platz am Vitrolles-Ring in Mörfelden-Walldorf auf einem Gelände der Evangelischen Gemeinde. Sie steht, sie mahnt, sie ist ein Symbol und eine Erinnerung. Ob sie noch immer revolutionär ist, bleibt eine andere Frage – denn sie ist, obwohl noch immer existent, eigentlich aus dem Weg geräumt. Doch „Proteste müssen stören, sonst wären sie wirkungslos. Wenn Störungen in den öffentlichen Raum ausgreifen und sich dort festsetzen, wenn sie ihn dauerhaft blockieren, verteidigen, schützen oder erobern, dann entsteht Protestarchitektur“ – so schreibt das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt (DAM) in der Ankündigung der Ausstellung „Protest / Architektur. Barrikaden, Camps, Sekundenkleber“. Heute, am 15. September um 19.00 Uhr, ist Vernissage im DAM-Interimsquartier im Ostend, das seine Ausstellungsfläche hierfür um 1000 Quadratmeter erweitert hat. Die Ausstellung ist eine Gemeinschaftsproduktion des DAM und des MAK – Museum für angewandte Kunst in Wien.

13 internationale Protestarchitekturen sind bis Januar 2024 zu sehen: detailreiche Modelle, gebaut an der TU München und der Hochschule für Technik Stuttgart, zeigen Camps von der Resurrection City 1968 bis zur Lobau-bleibt!-Bewegung 2021/2022. Vierzig „Bodenstrukturen“ aus Lützerath, zumeist Pfahlbauten, wurden von Rokas Wille (HfG Karlsruhe) mit Fotopapiermodellen dokumentiert, und der Regisseur Oliver Hardt entwickelte für die Ausstellung eine Filminstallation. Gemeinsam mit Aktivist*innen konnte eine Hängebrücke aus dem Hambacher Wald übernommen werden. Aus dem 2023 geräumten Protestcamp im Fechenheimer Wald in Frankfurt am Main wird die Spitze eines sogenannten „Monopods“ ausgestellt, und auch das Kriminalmuseum Frankfurt ist mit Leihgaben vertreten, etwa von den Protesten gegen die Startbahn West im Jahr 1980/1981. Die Ausstellungsarchitektur wurde von Something Fantastic entwickelt, die auch den Katalog gestaltet haben. Die kuratorische Leitung hat Oliver Elser fürs DAM übernommen, Gastkurator des MAK ist Sebastian Hackenschmidt. Der gesellschaftliche Wandel lässt sich auch an den Förderern ausmachen: Neben der Wüstenrot Stiftung sind die Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien (ja, Claudia Roth, ex-Managerin von Ton Steine Scherben) und die Kulturstiftung des Bundes im Boot. Ob derartige Förderungen auch in der Ära Kohl geflossen wären? (db, 15.9.23

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