Man fragt sich, warum es eines Anlasses wie des Internationalen Frauentags bedarf, Frauen in der Architektur zu „entdecken“. Denn eine Ausstellung über Pakistans erste Architektin Yasmeen Lari (*1940) war in Europa längst überfällig: Bereits Mitte der 1960er gründete sie in Karatschi ihr erstes eigenes Büro und entwarf bis 2000 etliche Bauten der Moderne, bevor sie sich als eine der ersten Architekinnen auch humanitär engagierte und 2005 eine Zero-Carbon-Selbstbau-Bewegung für Klimageschädigte und Landlose begründete. Anhand ihres Lebenswerks zeigt das Architekturzentrum Wien(Museumsplatz 1, 1070 Wien) nun ab 8.März, wie sich das Verhältnis von Architektur und Zukunft verändert und den Auswirkungen der menschengemachten Klimakatastrophe Rechnung tragen muss. Pakistan, das zu den meist gefährdeten Staaten weltweit zählt, ist überdurchschnittlich betroffen: Als 2022 ein Drittel des Landes überflutet war, leistete Yasmeen Lari unermüdlich architektonische Katastrophenhilfe. Für sie muss Architektur das Überleben und die Würde des Einzelnen mit dem Schutz des Planeten in Einklang bringen. „Es geht darum, welche Methode die kostenschonendste, sicherste und ökologischste ist, und diese dann massenhaft in Umsetzung zu bringen“, so Lari. Das System der Zero-Carbon-Architektur, basierend auf lokalen Ökonomien, der Innovation von historischen Bautraditionen, den klimaneutralen Materialien Bambus, Kalk und Lehm sowie Trainings im Selbstbau und frauenzentrierten Prozessen hat zum Bau zehntausender flut- und erdbebensicherer Häuser, sanitären Infrastrukturen, rauchfreien Herden und Gemeinschaftseinrichtungen geführt.
Die Wiener Ausstellung zeigt anhand von unveröffentlichten Fotos und Dokumenten aus dem Archiv von Yasmeen Larin ihren Weg von der modernen Star-Architektin Pakistans zur Wegbereiterin einer CO2-freien Architektur, lange bevor diese Notwendigkeit im breiten Bewusstsein verankert war. In England ausgebildet, war sie eine Pionierin des Brutalismus und realisierte Häuser für das neue Lebensgefühl der urbanen Mittelschicht des unabhängigen Pakistan, schuf aber auch die ersten Sozialbauten des Landes. Gemeinsam mit ihrem Mann Suhail Zaheer Lari gründete sie die Heritage Foundation of Pakistan, erforschte und rettete das bauliche Erbe ihres Landes, die beiden Weltkulturerbestätten in Makli und Lahore ebenso wie Alltagsbauten. Die moderne Architektur hatte den Anspruch, eine bessere Zukunft zu bauen. Heute leben wir mit den Folgen: extreme Wetterereignisse, fossile Energieabhängigkeit, Zerstörung planetarischen Ausmaßes. Architektur ist gefordert, Mitverantwortung zu übernehmen und die Arbeit an ökologischer Gerechtigkeit nicht aufzugeben. Zur Ausstellung erscheint das Buch „Yasmeen Lari. Architecture for the Future” bei MIT Press. Vernissage ist am Mittwoch, den 8. März 2023 um 19.00 Uhr, die Ausstellung läuft bis 16. August 2023. (db, 5.3.23)