Zeitgeist kann mitunter ziemlich beknackte Blüten treiben – etwa am Otfried-Preußler-Gymnasium in Pullach. In den vergangenen Wochen ist es vor allem dadurch in die Öffentlichkeit geraten, weil es seinen Namensgeber loswerden möchste: Otfried Preußler, Jahrgang 1923, war Soldat der Wehrmacht – und erst nach seinem Tod 2013 wurde bekannt, dass er als 17-Jähriger bereits ein Buch („Erntelager Geyer„) verfasst hatte, das den Einsatz der Hitlerjugend verherrlichte. Da Preußlers weiterer Lebensweg nach drei Jahren Kriegseinsatz und fünf Jahren Gefangenschaft nun aber so gar nichts mehr mit NS-Begeisterung zu tun hatte, schob die Schulleitung schnell noch inhaltliche Gründe nach, die sein Werk als Kinderbuchautor schmälern sollen: „Problematisch für die Lernenden erscheinen auch die in einigen Werken dargestellten fragwürdigen Konfliktlösungsstrategien durch Gewalt und/oder Hexerei“, heißt es da. Völlig nachvollziehbar, das ist fast so verwerflich wie die Rote Zora, der Struwwelpeter oder Pippi Langstrumpf … Immerhin ist wohl noch kein Antrag auf Namensänderung beim Kultusministerium eingegangen.
Im Schatten dieser wirren Debatte fast untergegangen ist, dass das 1971-73 nach Plänen der Architekten Werner Fauser (1928-2022) und Herbert Kriegisch (1930-2011) errichtete Gymnasium gerade unter Denkmalschutz gestellt worden ist. Der brutalistische Bau stehe für die Aufbruchstimmung, die in den 1970ern in der Pädagogik herrschte. Merkur.de zitiert Lea Kramer, Pressesprecherin des bayerischen Landesdenkmalamts: Es sei der Anspruch gewesen, dass die Architektur die „demokratischen Wertevorstellungen und Ziele der Schulreformen“ widerspiegeln solle. Dies findet nicht zuletzt Ausdruck in der Kombination aus Sichtbeton und Klinkerböden, vom Zusammenspiel von Architektur und Farbgebung: Etliche Farbflächen sind in Mondrian-blau, -gelb oder -rot in den Beton eingebettet, sämtliche Türen ebenfalls farbig gestaltet. Verantwortlich für dieses Konzept und auch eine Skulptur im vorderen Teil des Pausenhofs, zeichnet der Künstler Manfred Mayerle (*1939). Die Gemeinde Pullach plant derweil für alle drei Schulgebäude in absehbarer Zeit umbauten. Vor einigen Jahren stand sogar der Abriss des „Staatlichen Gymnasiums“ (wie es bis 2013 hieß) im Raum. Diese Überlegungen sind aber schon länger vom Tisch. (db, 12.3.24)