Ein Denkmal als solches zu entdecken, ist das eine, es politisch durchzusetzen, das andere. Doch wirklich knifflig wird es, sobald man mit dem neuen Schutzstatus leben muss. Für die Siedlung Roter Hang (1974) im hessischen Kronberg beauftragte man die Verfasserin dieses Beitrags 2014 mit einem Gutachten, auf dessen Grundlage das dortige Wohnhaus des Braun-Designers Dieter Rams als Kulturdenkmal eingestuft wurde. Es folgte eine Bestandsaufnahme der Siedlungsstruktur durch das Büro urbanorbit (Maren Harnack und Mario Tvrtkovic), um diese als Gesamtanlage differenziert handhaben zu können. Und nach vertiefenden Studien der Kommune liegt nun auch eine praxisorientierte Leitlinie des Landesamts für Denkmalpflege Hessen vor, die für einen ebenso behutsamen wie bewohner:innenfreundlich Umgang mit dem Roten Hang wirbt. Diese 73 Seiten starke, reich bebilderte Broschüre eröffnet die neue Veröffentlichungsserie “Kleine Reihe”, denn bei einem solch hochkarätigen Kulturerbe kommt es besonders auf die Details an.

Kronberg, Roter Hang, Blick in den Schirnbornweg (Bild/Titelmotiv: Christine Krienke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen)

Typenbungalows und Treppenwege

Der Elektrogeräte-Hersteller Braun erwarb 1958 das Vorkaufsrecht auf den Roten Hang, um eine Siedlung für Gäste und Mitarbeiter:innen zu errichten. Trotz gestalterischer Vorüberlegungen des Braun-Designers Dieter Rams zog sich die Firma seit 1962 stufenweise als Bauherr zurück. Die Stadt gab das Projekt 1968 an den Bauträger Polensky & Zöllner, während die mehrgeschossigen Bauten im Norden durch die IBM-Versorgungskasse mit Grün & Bilfinger umgesetzt wurden. Für beide fertigte Rudolf Kramer – in enger Abstimmung mit Stadt, Braun und Rams – die Pläne.

Im Geist des Neuen Bauens, nach dem Vorbild der schweizerischen Siedlung Halen (1961), entstand im Norden Kronbergs bis 1974 eine naturnahe, dem Geländeverlauf folgende Siedlung mit Fußgänger-/Treppenwegen. Am höchsten Punkt staffeln sich vielgeschossige Mehrfamilienhäuser, darunter eingeschossige Terrassen-, im Süden zweigeschossige Reihenbungalows und Sammelgaragen. Rams selbst verband zwei Typenbungalows zum Wohn-/Atelierhaus, ergänzte den Pool, wählte besondere Ausstattungsdetails, richtete sich fast geschlossen mit Eigenentwürfen ein.

Kronberg, Roter Hang, Luftaufnahme mit den unterschiedlichen Haustypen (Bild: Christian Seitz, Landesamt für Denkmalpflege Hessen)

Der Genuss steckt im Detail

Der Rote Hang besticht bis heute durch gekonnte schützenswerte Details wie eine noch weitgehend ungestörte Flachdachlandschaft, (auto-)freie Treppen-Wege, betonsichtige Sockel- und Umfassungsmauern, Außenwände mit Rauputzoberflächen, getönt weiße Fensterrahmen und Außenwände, Alu-Flachdachblenden mit Unterschnitt, einige wenige Farb-Akzente (Rollladenblenden), einheitliche Geländer und Einfriedungen sowie die Beton-Pflasterung im Außenbereich.

Vor diesem Hintergrund legen die Leitlinien des Landesdenkmalamts in Wort und Bild nicht nur die Geschichte und architektonische Qualität der Siedlung offen, sondern visualisieren auch die unterschiedlichen Haustypen mit ihren jeweiligen Besonderheiten. Da nimmt man Farbwerte, Putzoberflächen und Haustüren ebenso in den Blick wie die Frage von möglichen Solaranlagen. Abschließend werden die Rechte und Pflichten der Eigentümer:innen aufgezeigt und eine vertiefende Beratung bei der obere und unteren Denkmalbehörde angeboten. So ergibt sich im Gesamtbild ein ebenso ansprechend wie verständlich konzipierter Leitfaden, um die Siedlung Roter Hang auch in den nächsten 50 Jahren mit Genuss und Gewinn bewohnen und besuchen zu können. (kb, 30.2.23)

Kronberg, Roter Hang (Bild: Christine Krinke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen)

Kronberg, Roter Hang, farbige Akzente durch Haustür und Rollladenblenden (Bild: Christine Krienke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen)

Literatur

Zimmermann, Hannah u. a. (Bearb.): Siedlung Roter Hang in Kronberg im Taunus – Leitlinien zum denkmalpflegerischen Umgang (Kleine Reihe 1), Wiesbaden 2022.

Harnack, Maren u. a. (Hg.): Wohnen in der Nachkriegsmoderne. Siedlungen in der Region Rhein-Main. Mit Fotografien von Ben Kuhlmann und Malte Sänger, Berlin 2020.

Berkemann, Karin: Rudolf Kramer, Dieter Rams. Siedlung Roter Hang. Kronberg im Taunus, 1969-74, in: Buchholz, Kai/Oswalt, Philipp (Hg.): 100 Jahre Moderne in Hessen. Von der Reichsgründung bis zur Ölkrise, Berlin 2019, S. 100.

Rams, Dieter (Bearb.): Less but better. Weniger, aber besser, Berlin 2014, 2. Auflage.

Terrassen Bungalows Am Roten Hang Kronberg/Taunus, hg. von Polensky und Zöllner, Frankfurt am Main o. J. [1969, Werbebroschüre].

Hoffmann, Ot u. a. (Bearb.): Neues urbanes Wohnen. Gartenhäuser, Teppichsiedlungen, Terrassenhäuser, Berlin 1966.

Kronberg, Roter Hang (Bild: Christian Seitz, Landesamt für Denkmalpflege Hessen)

Kronberg, Roter Hang (Bild: Christian Seitz, Landesamt für Denkmalpflege Hessen)

Kronberg, Roter Hang (Bild: Christine Krinke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen)

Kronberg, Roter Hang (Bild: Christine Krienke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen)

Kronberg, Roter Hang (Bild: Christine Krinke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen)

Kronberg, Roter Hang (Bild: Christine Krienke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen)

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