Anfang der 1980er Jahre entwarf der Münchner Architekt Günther L. Eckert auf ca. 100 Seiten Schreibmaschinenpapier die Utopie einer oberirdischen, die Erde umfassenden Röhre, die der gesamten Menschheit als Lebensraum dienen sollte. Eine autarke Architektur sollte diese sein, allen Menschen ein gutes Leben ermöglichen und die damals bereits stark angegriffene Erde vor weiterer Zerstörung durch die Menschheit bewahren. Für die Ausstellung „Die Röhre – Eine Architektur-Utopie“, die bis zum 3. März 2024 in der Architektur-Galerie in Berlin zu sehen ist, wählte der Kurator Michael Fehr 60 Seiten dieses Entwurfskonvoluts aus und stellte sie anderen städtebaulichen Utopien aus Geschichte und Gegenwart gegenüber. Zu sehen sind Texte, Skizzen, Berechnungen und Collagen der 250 Meter Durchmesser starken Röhre sowie erstaunliche und teilweise psychedelisch anmutenden Entwürfe für die verschiedenen Wohntypen im Inneren der Röhre.

Angesichts des heutigen Standes eines rasanten Klimawandels und der aktuellen politischen Krisen haben Eckerts Ideen nach 50 Jahren kaum an Relevanz verloren. Sie sind einerseits aktueller denn je: Der Entwurf der „Röhre“ verdeutliche, so die Architektur-Galerie, umso mehr die Dimensionen der Veränderungen, die wir im Verhältnis zur Natur als Quelle und Grundlage unseres Lebens entwickeln müssen. Andererseits ist Eckerts Entwurf aber auch ein Produkt der damaligen Zeit, das heute kritisch gelesen werden muss. So verläuft die Röhre, die er „Kontinuum“ nannte, zwischen dem 40. und 50. Breitengrad, wo – damals und laut den Erklärungen Eckerts – die meisten Menschen lebten. Die bundesrepublikanische Perspektive, die die Welt des globalen Südens ausklammert, zeigt sich beispielsweise auch im Höhenverlauf der entworfenen Lebenswelt, für den die Münchner Frauenkirche oder eben der Eiffelturm als Referenz dienen. Günther Ludwig Eckert studierte von 1947 bis 1951 Architektur in München. Als Freier Architekt entwarf er zwischen 1954 und 1980 zahlreiche Einfamilienhäuser, Wohn- und Bürokomplexe sowie Kirchen. Seine bekanntesten Bauten sind das Studentenwohnheim und die Mensa im Olympischen Dorf München, die von 1967 bis 1972 realisiert wurden. Die Ausstellung ist in der Architektur Galerie Berlin, Karl-Marx-Allee 96 zu sehen. (pk, 24.2.24)

Das „Kontinuum“ über Paris, Collage, Günther L. Eckert, frühe 1980er Jahre (Bild: Günther L. Eckert)

Das „Kontinuum“ über Paris, Collage, Günther L. Eckert, frühe 1980er Jahre (Bild: Günther L. Eckert)

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