Es gab in den vergangenen Jahren nur wenige (streng genommen gar keine) Anlässe, zu denen ich bedauern musste, die Kanzel gegen die Baustelle eingetauscht zu haben. Doch in diesem Winter juckt es mich als studierte Theologin akut in den Fingern. Was ließe sich predigttechnisch nicht alles an Sinngehalt aus der Lage der Nation ziehen: Endlich werden wir auf die wahren Werte von Familie/Kultur/Weihnachten zurückgeworfen. Aller Tand fällt von uns ab und gibt den Blick frei auf das Wesentliche, das Echte. Doch so viel online bestellte Tofu-Gans ließe sich gar nicht essen, um dem dabei aufkommenden Brechreiz zu entsprechen. Denn am Ende des coronageplagten Jahres 2020 bleibt für viele einfach nur Müdigkeit. Und der tiefe Wunsch, 2021 zu überspringen.

So wie gute Hotels die 13. Etage aussparen und renommierte Theater die gleichlautende Reihe dezent auslassen, scheinen Kulturveranstalter 2021 bereits ganz gestrichen zu haben. Geplant wird für 2022, mit dem leichten Nervenkitzel, ob wenigstens dann wirklich alles wieder planbar sein wird. Ja, natürlich hat uns das gerade auslaufende Jahr bemerkenswerte digitale Blüten der sonst analog aufgelegten Kulturinstitutionen gebracht. Vieles davon wird uns auf Dauer bereichern. Nur, und hier liegt ein Schönheitsfehler für die meisten Freiberufler, in den seltensten Fällen wird der geisteswissenschaftliche Arbeitsanteil daran (finanziell) angemessen gewürdigt. Man bleibt sichtbar – und wird im Verborgenen nur noch ärmer an Geld und Sinnen.

Wir wissen nicht, welche intensiven Momente 2021 für uns bereithält. Wie man sich beim Open-Air-Konzert mit Glühwein über Wasser und dem Gefrierpunkt hielt. Wie man sich in der WG-Küche halblegal zur Online-Vorlesung und zum anschließenden Käsefondue zusammenrottete. Selbst die diversen Kriegsweihnachten des 20. Jahrhunderts haben schöne Erinnerungen produziert, der Anlass blieb ein erdenklich falscher. Auch wenn dieser Vergleich auf drei von vier Füßen hinkt, ergibt sich eine Gemeinsamkeit: Mit Duldungsstarre ist niemandem geholfen. Benennen wir laut und deutlich, was uns in Theater, Museum und Universität sorgenvoll umtreibt! Ohne Kultur gerieten die kommenden Monate verdammt dunkel. Halten wir uns fest an den für 2021 angekündigten Lichtpunkten – wie das Kölner Rheinparkcafé, das nach langen denkmalfachlichen Nachbesserungen im Juni wiedereröffnen will. (5.12.20)

Karin Berkemann

Anmelden

Registrieren

Passwort zurücksetzen

Bitte gib deinen Benutzernamen oder deine E-Mail-Adresse an. Du erhältst anschließend einen Link zur Erstellung eines neuen Passworts per E-Mail.